Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., TF 2014/21
Retzius, Gustaf
Anthropologia Suecica: Beiträge zur Anthropologie der Schweden; nach den auf Veranstaltung der Schwedischen Gesellschaft für Anthropologie und Geographie in den Jahren 1897 und 1898 aufgeführten Erhebungen; mit 130 Tabellen, 14 Karten und 7 Proportionstafeln in Farbendruck, vielen Kurven und anderen Illustrationen
Stockholm, 1902
Seite: 127
(PDF, 50 MB)
Bibliographische Information
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Anatomische Literatur

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
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ist das Material weder hinreichend homogen noch genügend gemischt and in letzterem Falle nicht reich genug.
Die Ergebnisse würden natürlicherweise viel werthvoller geworden sein, wenn sie mit einer etwas begrenzten
Bevölkerung; wenn möglich desselben Rassentypus, oder mit einer grösseren umfassenden Volksmenge gemacht
und dieselben Individuen während einer -Reihe von Jahren untersucht worden wären. Nun ist die Untersuchung
hauptsächlich an dem Material einer grösseren Stadt, ihrer Krankenhäuser und Dissectionssäle, also
wie Pfitzner selbst nicht ganz wiederspricht, eigentlich an einer »Auslese», gemacht.

Die Pfitzner'sehen Untersuchungen stehen bisjetzt allein und erfordern Bestätigung aus anderen Ländern
. Glanz sicher zeigen sich dann wenigstens verschiedene Verhältnisse in Bezug auf die Verdunkelung
der Haarfarben, zu den Zeiten vermehrter Pigmentirung u: s. w. Die Schweden haben gewiss ganz andere
Karl >en ent wicklungs verh ii 1 tu i sse als z. B. die Italiener. Schon aus dem Pfitzner'sehen Material und seinen
Tabellen geht nämlich hervor, dass - die blonden Haare sich mit zunehmendem Alter in einer immer fortgesetzten
Farbenveränderuner oder Verdunkleung befinden, dass aber die braunen oder schwarzen Haare oft schon
früh ihren dunkeln Typus erhalten haben. Vor dem 10. bis zum 20. Jahre ist die Haarfarbe nicht fixirt.
Nach dieser Zeit geben die Pfitzner sehen Prozentziffern - - besonders wenn man sein kleines Untersuchungsmaterial
betrachtet — keine grösseren Veränderungen an. Eine andere Frage kann, wie ich. schon oben
angedeutet habe, möglicherweise auch in Berücksichtigung gezogen werden, wenn man das Alter für eine
Haar- und Augenfarbenuntersuchung bestimmen will, nämlich ob die dunkleste Farbe, die die Haare annehmen
können, nothwendig die sein müsse, welche als Rassencharakter gelten soll.

Wenn in dem Alter (40—50 Jahre), in welchem Pfitzner findet, dass die helleren Haare die Höhe
der Dunkelheit erreicht haben, das dunkle Haar schon in sein seniles Stadium eingetreten ist oder weiss zu
werden angefangen hat, so ist dieses Alter möglicherweise passend für Untersuchungen von Hellhaarigen,
aber absolut nicht für Dunkelhaarige oder mit anderen Worten unbrauchbar für eine allgemeine Untersuchung
über die Haarfarben. Würde man also die an und für sich so ausserordentlich interessanten Pfitzner'sehen
Untersuchungen zu (xrunde legen, um ein Alter für anthropologische Untersuchungen zu finden, so wäre
eigentlich kein Alter passend. Indessen geben Pfitzners Tabellen indirect das Alter an, wann eine schnellere
Veränderlichkeit aufgehört hat und eine gewisse relative Stabilität in der Haarfarbe so zu sagen über die
ganze Linie der Farben eingetreten ist, also auch eine anthropologische Untersuchung über die Haarfarben
mit Vortheil gemacht werden könnte. In einem solchen Alter sind, glaube ich, unsere schwedischen Untersuchungen
gemacht.

Ohne den wissenschaftlichen Werth und die Bedeutung der umfassenden Erhebungen der deutschen

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anthropologischen Gesellschaft1) über die Farbe der Haut, der Haare und der Augen von 6,758,827 deutschen
Schulkindern bestreiten zu wollen, kann ich doch nicht unterlassen, eine gewisse Vorsicht zu beobachten, wenn
ich nach denselben einen absoluten Farbengrad der Bevölkerung in Deutschland beurtheilen oder Rassen für
Augen-, Haar- und Hautfarben erhalten will, um solche mit denen anderer Völker zu vergleichen. Das Untersuchungsmaterial
stammt eben genau aus den Jahren, in denen den Pfitzner sehen Untersuchungen nach die

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grössten Veränderungen besonders eintreffen. Die relativen Farbenverhältnisse der verschiedenen Gegenden
Deutsehlands und anderer Länder, wo ähnliche Untersuchungen an gleichartigem Material vorgenommen worden
sind, können aus den Schulkindererhebungen studirt werden, aber nicht viel mehr. In Deutschland stand
indessen kein anderes Material zur Verfügung, da eine Untersuchung des Militärs nicht erlaubt war. Virchow
hat jedoch, das wissen wir, sein Material in hohem Grade durch seine talentvolle Behandlung ausgenutzt.

Durch das Entgegenkommen der Regierung und des Armeekommandos erhielten wir in Schweden, wie
oben erwähnt, ein an Alter vollständig homogenes Untersuchungsmaterial. Wenn die Haarfarbe desselben
ihre höchst mögliche Pigmentstärke noch nicht erreicht hat, so hat doch,- wie erwähnt, der 21-jährige ein
Alter, das nach den Pfitzner sehen Tabellen schon eine Haarfarbe bekommen hat, die sich dann später wenig
verändert.

Die verschiedene Neigung der Augen und der Haare, Pigment aufzunehmen, ist, das wissen wir, erblich.

x) Rudolf Virchow. Gesammtbericht über die von der deutschen anthropologischen Gesellschaft veranlassten Erhebungen
über die Farbe der Haut, der Haare und der Augen der Schulkinder in Deutschland erstattet von Rudolf Virchow. Archiv
für Anthropologie, XVI. Bd. 1886.


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