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oder Binnenland — noch in der geographischen — mehr oder weniger nördlichen — Lage nachweisen.
Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Einwirkung der verschiedenen Vermögens- und Lebensverhältnisse, indem
ärmere Provinzen z. Th. eine höhere Mittelzahl als wohlhabendere zeigen u. s. w. Es scheinen deshalb
die Kassencharaktere, d. h. die Einmischung einer mehr oder weniger grossen Zahl fremder, kleinwüchsiger
Elemente in die ursprüngliche germanische Bevölkerung, für den fraglichen Unterschied das wesentlich bestimmende
zu sein. In dieser Hinsicht ist z. B. in Betracht zu ziehen, dass sowohl die beiden nördlichsten Provinzen,
Lappland und Västerbotten, als die beiden südlichsten, Blekinge und Skäne, im Ganzen die niedrigsten Zahlen
aufweisen. Es ist dies von Interesse, weil diese Provinzen sämmtlich einen bemerkenswert!! hohen Mittelindex
des Schädels und eine verhältnissmässig hohe Prozentzahl von Brachycephalen zeigen, was ja auf eine stärkere
Einmischung fremder Eassenelemente hindeutet. Im Zusammenhang hiermit dürfte aber hervorzuheben sein,
dass eine andere Provinz, Uppland, welche eine sehr hohe Prozentzahl von Brachycephalen und einen recht
hohen kranialen Mittelindex darbietet, nicht zu denjenigen gehört, welche die kleinsten Mittelzahlen der
Körpergrösse zeigen, was aber von der Einmischung fremder Elemente von etwas grösserer Statur herrühren
kann. Indessen soll auch betont werden, dass die Provinzen, welche die allerkleinsten Prozentzahlen von
Brachycephalen haben — Dalsland, Södermanland, Närke, Dalarne, Västmanland und Värmland —, nicht den
höchsten mittleren Körperwuchs aufweisen, sondern mehr in der Nähe der Mittelzahl von ganz Schweden,
theilweise sogar unter derselben, fallen.
Beim Vergleich mit den von anderen Forschern hinsichtlich der mittleren Körpergrösse der Schweden
gewonnenen Zahlen sind eigentlich nur die Ergebnisse von Hultkeantz hier zu berücksichtigen. Es sind dieselben
ebenfalls an 21-jährigen Wehrpflichtigen, und zwar aus den Contingenten der Jahre 1887—94 gewonnen
worden. Da sie so viele Jahre umfassen, ist ihr Gresammtcontingent, das sich auf 232,367 Individuen beläuft,
auffallend gross. Es ist nur zu bedauern, dass, wie erwähnt, dieses Contingent und das unsrige nicht gleich-
werthig sind und sich deshalb nicht ganz genau vergleichen lassen. Die Berechnungen von Hultkeantz, die
aus den tabellarischen Angaben, welche von den 31 Einschreibungsgebieten des Landes jährlich an die Com-
mandoexpedition des Landesvertheigungsdepartements eingesandt werden, umfassen erstens nicht die Provinzen
als solche, sondern die Einschreibungsgebiete, und zweitens auch die Untauglichen, nämlich die, welche weniger
als 157 Cm. massen. Nach der Hinzurechnung der etwa 5 % der ganzen Anzahl von 21-jährigen, die für
die eigentliche Armee geworben sind, erhielt Hultkeantz für ganz Schweden als Mittelzahl der Körpergrösse
der 21-jährigen 169,51 Cm. und nach dem Zuschlag des berechneten Zuwachses bis zum ganz erwachsenen
Alter 170,51 Cm.
Wenn wir zu unserer Zahl ebenfalls diesen Zuschlag (10 Mm.) hinzufügen, so bekommen wir die Zahl
171,879 Cm. Auch wenn man in Erwägung1 zieht, dass in unseren Tabellen die weniger als 157 Cm. messenden
nicht vorkommen, und die etwa 5 % ausmachenden, in die Armee aufgenommenen berücksichtigt — die Hultkeantz
hinsichtlich seiner Contingente als mit etwa 1,8 Mm. die Zahl erhöhend berechnet — so zeigt sich dennoch
die von uns erhaltene Mittelzahl etwas höher als die seinige. Ein Vergleich zwischen den von uns gefundenen
Mittelzahlen der einzelnen Provinzen und den von Hultkeantz berechneten Mittelzahlen der Einschreibungsgebiete
lohnt sich nicht, da die beiden Arten von Landestheilen einander keineswegs decken.
Aus der Zusammenstellung der von Aebo, von Hultkeantz und von uns veröffentlichten, an den schwedischen
Wehrpflichtigen gefundenen Mittelzahlen scheint es, wie schon früher hervorgehoben worden ist, als
ob in dem letztverflossenen halben Jahrhundert in der That eine progressive Vergrösserung der schwedischen
Bevölkerung stattgefunden hätte. Für eine sichere Eruirung dieser Frage ist aber eine umfassende Untersuchung
der vollständig erwachsenen männlichen Bevölkerung nothwendig. Es ist nämlich möglich, dass die
fragliche Vergrösserung nur die Wachsthums jähre betrifft, und die Normalgrösse früher erreicht wird, aber
dieselbe geblieben ist.
Beim Vergleich mit anderen Nationen liegt es am nächsten, die Verhältnisse bei den anderen skandinavischen
Völkern zuerst zu besprechen. Durch Aebo's Untersuchungen weiss man, dass sich bei 22-jährigen
norwegischen Wehrpflichtigen die Mittelzahl der Körpergrösse auf 169,6—169,8 Cm. beläuft, obwohl sich auch
in Norwegen in den verschiedenen Landestheilen recht bedeutende Differenzen zeigen, so dass z. B. in einzelnen
Gregenden diese Mittelzahl 173 Cm., in anderen dagegen 167—166 Cm. beträgt.
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