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Sehnerven.
um den Gehirnschenkel nach unten und vorn und erhält auf diesem Wege
vom tuber cinereum und der substantia perforata antica lateralis noch einige
accessorische Yerstärkungsfasern.
Yor dem tuber cinereum vereinigen sich beide tractus optici durch gegenseitigen
Austausch ihrer Fasern und bilden die Sehnervenkreuzung,
cliiasma nervorum opticorum (Taf. II Fig. I Ziff. 2). Das Chiasma hat eine
viereckige von oben nach unten plattgedrückte Gestalt, liegt an der vorderen
Abtheilung des Türkensattels und grenzt seitlich an die zum Gehirne emporsteigenden
beiden Carotiden. In der Sehnervenkreuzung findet nur ein
theilweiser Austausch der Fasern der beiden tractus optici in der Art statt,
dass die äussere Hälfte der Fasern des rechten tractus zur inneren Hälfte
des linken nervus opticus und die äussere Hälfte der Fasern des linken
tractus zur inneren Abtheilung des rechten nervus opticus gelangt, oder mit
anderen Worten ausgedrückt: Die rechten Hälften der beiden retinae
erhalten ihre Fasern vom rechten tractus opticus und die linken Hälften
beider Netzhäute vom linken tractus opticus. Damit ist zugleich ausgesprochen
, dass ein Theil der Fasern der tractus optici sich direkt in die
nervi optici derselben Seite fortsetzt.1) Ferner wurden von Hannover
noch Nervenfaserzüge am Chiasma beschrieben, welche an seinem vorderen
und hinteren Rande coinmissurenartig von einer Seite zur anderen gehen
sollen. Aus einem tractus gehen Fasern am hinteren Rande des Chiasma
in den anderen über und wenden sich central zum Gehirne. Nach Hannover
laufen vom rechten nervus opticus Fasern am vorderen Rande der
Kreuzlingsstelle zum linken nervus opticus und diese schlagen in den beiden
Nerven eine peripherische Richtung ein.2) — Chiasma und die beiden tractus
optici erhalten einen Ueberzug xon der pia mater.
Aus den vorderen Ecken des Cliiasma treten die beiden nervi optici in
der angegebenen Weise als starke, runde Stämme hervor und gelangen,
oberhalb der arteria ophthalmica, durch die foramina optica, eine dicke Scheide
von der dura mater mitnehmend, in die Augenhöhle. In leichtem nach aussen
convexem Bogen ziehen sie in dem stark entwickelten Fettpolster der Augenhöhle
, umfasst von den Ursprüngen der geraden Augenmuskeln, den arteriae
1) Diese anatomischen Thatsachen wurden mehrfach durch pathologische Beobachtungen
bestätigt. Eine Geschwulst, welche z. B. auf den rechten tractus opticus einen Druck
ausübt, erzeugt functionelle Störungen der rechten Retinahälften auf beiden Augen.
2) Die Existenz der Commissurenfasern ist noch problematisch. Eine physiologische
Erklärung konnte für dieselben bis jetzt nicht gegeben werden.—Nach Biesiadecki soll
in dem Chiasma eine vollständige Kreuzung der beiden tractus optici stattfinden.
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