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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 31
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zusetzen hätte. Die Nacht reichte nicht aus, alle seine Fragen zu beantworten:
ob der alte Bäumler noch lebe? Ja. Ob es die Störche auf dem Dache des
Hauses zum Walfisch noch gäbe, oder ob sie schon alle dem Dunst der Schnapsbrennerei
Kölble erlegen wären? Den Professor H., bemüht wie Sokrates, die
Wahrheit zu suchen? Professor Y., den Juristen, mit allen Kniffen eines Gor-
gias nur darauf aus, zu überzeugen? Fehlte nicht viel und er hätte mir ein
Borussenband um die Brust gehängt. Quartier fürs Regiment ließ er seine
Männer für mich machen. Er ließ meinen Morgenschlaf bewachen wie den
eines Patienten erster Klasse in der Psychiatrischen bei Hoche. Und um das
Maß des Wunderbaren voll zu machen, führte er mich als Ehrengast beim
Kommandierenden General von Bouillon ein, an dessen Seite ich tafeln mußte.
All dies wegen, all dies für Freiburg.

SS

Und wieder in einem Krieg, werden wir denn nie genug davon kriegen,
wurden mir über die Mainlinie auf Empfehlung des gleichen Borussen Studentinnen
geschickt. Gleich zwei. Wir schlugen ihnen die Betten in unserer
besten Stube auf. Wir öffneten ihnen unsere Hamsterquelle. Wir boten ihnen,
als die Kirschen reif geworden, den einzigen Baum unseres Gartens an. Begnügten
uns, für sie die Leiter zu stützen und verlangend zu ihnen aufzuschauen
. Den Kirschen. Den ganzen Hort von Puddingpulver ließen wir sie
verkochen. Sogar die Vorbereitung aufs kleine Latinum haben wir auf uns
genommen. Es war mühsam genug. Im Luftschutzkeller haben wir auf gemeinsamer
Pritsche geschlottert, und wir sind am 28. November 1944 in einem Gespann
, mit Notgepäck unter fremdem Dach untergekommen. All dies wegen.
All dies für?

*

Die Musenstadt. Hat sie den jungen Studenten je anders empfangen wie
Mozart seine Besucher? Mit der Frage: liebst du mich? Und ihm, ohne sein
Jawort abzuwarten, auf dem Klavichord ihrer Landschaft die verführerischsten
Weisen vorgespielt. Nichts verlangt sie von ihm als Sinn für geruhsame
Pausen. Sinn für den hohen Luxus, zur eigenen Gesundung Zeit auch verschwenden
zu können. Lernt er dies, lernt er erst den Freiburger kennen und
die Stadt, die dank ihrem Klima, das mit seinen Föhnen an den Nerven lullt,
milderen Südens Verheißung in sich birgt.

Dringt die Atmosphäre dieses Bodens ihm osmotisch durch die Haut ins
Blut, geht ihm auf, warum der Freiburger selten gleich ja, selten gleich nein
sagt. Warum seine Seele, sich selbst genießend, meist in einem Schwebezustand
verharrt. Warum er sich so wenig beeilt, wie der Maikäfer, der zwischen zwei
Flügen stets sich Zeit läßt, das Unterkleid seiner Hautflügel zu ordnen.

Eine zögernd in der Stadt verebbende Ländlichkeit sichert hier allen ein
Maß von Geruhsamkeit, der selbst die Verkehrspolizei sich unterwirft. Eine
gemächliche Mundart erzeugt Wärme zwischen den Menschen und läßt sie alles
nur halb so wichtig nehmen. Der zum Beharren Neigende frischt die alte Vergoldung
„Hoflieferant" an der Glastiire seines Geschäftes wieder auf, empfiehlt
sind weiterhin als „Universitäts-Buchbinder, -Buchhändler, -Buchdrucker".
Alten Gassen wurde beim Wiederaufbau die gewohnte Enge gelassen, den
öffentlichen Brunnen ihr Wasser.

Kein Wunder also, daß, wo immer in der AVeit ein ehemaliger Student wem
begegnet, der nach Freiburg reist, die Bitte aufträgt: „grüße mir Freiburg und

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