Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
75.1957
Seite: 43
(PDF, 44 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1957/0043
Dieses Haus „Zum Rechen" wurde 1578 von der Universität angekauft und
seit 1581 benutzt. Es hatte von etwa 1530 an dem angesehenen und wohlhabenden
Arzt Dr. Joachim Schiller von Herdern gehört; dessen Vater war schon
Medizinprofessor und seit 1508 Stadtarzt gewesen. Ihm gehörte ein Weiher-
schlößle in Herdern als Landhaus, und der dort geborene Joachim nannte sich
danach Schiller von Herdern. Das alte Stadthaus gestaltete Dr. Schiller zwischen
1539 und 1545 völlig um, indem er aus den beiden Bauteilen des Wohnhauses
an der Eisenbahnstraße und dem Rückgebäude an der Turmstraße zwei größere
Giebelhäuser machte, die gemeinsam ihre Giebel- und Hauptfronten nun dem
Franziskanerplatz zukehren und dessen Eingang in einer Hofmauer als Portal
ausgestaltet war. Die eigentliche Haustür liegt im Treppenturin, der ebenfalls
heute noch erhalten ist und die Grenze der beiden Häuser „Zum Phönix" und
„Zum Rechen" bildete (zwischen denen ursprünglich noch eine Hofmauer lag, die
erst von der Universität beseitigt wurde). Eine solche symmetrische Gruppierung
eines Doppelhauses mit den Giebeln zur Hausfront und einem dazwischenliegenden
Hof entspricht nicht mehr ganz den alten alemannischen Baugewohnheiten
der Freiburger Bürgerhäuser seit der Stadtgründung, da diese
alle ihre Traufseiten, das heißt die Breitseite und nicht den Giebel, der Straße
zukehren. Diese Gewohnheit prägt sich in der ursprünglichen Anlage des
Schillerschen Hauses aus, erhält aber dann durch die Wendung der Schauseite
zum Platz hin eine völlig neue Note, die aus der Einwirkung fränkischer, das
heißt speziell wohl Straßburger, Baukunst zu verstehen ist. In Straßburg entstanden
damals die schönen, aufwendigen Erweiterungsbauten des Frauenhauses
(der Münsterbauhütte) und der Großen Metzig in Form solcher Doppelhäuser
mit Zwischenmauer. Beide Häuser Dr. Schillers, die sich ähneln, haben
an ihren schöngeschwungenen Giebelseiten jeweils eine eigene Fenstereinteilung,
die sich nicht aus dem symmetrischen Außenbau, sondern aus der inneren Raumgestaltung
ergibt. Das vornehmere linke Haus, das wohl die Repräsentationsräume
enthielt, hat mehrere und reichgruppierte Fenster, deren Rahmung in
feiner Steinmetzarbeit ausgeführt wurde. Zwischen Ranken, Masken und
antikisierenden Grotesken sind in den roten Sandsteinrahmen Wappen des
Hausbesitzers Schiller angebracht, und besonders der Schmuck der zweigeschossigen
Erker an den Hausecken bezeugt den modernen Stil, den der Humanist
und Gelehrte des Renaissancezeitalters an seinem Haus aufnimmt. Dennoch
zeigt er sich dabei verwurzelt in mittelalterlicher Gedankenwelt. Das beweisen
gerade die feinen figürlichen Reliefs im südlichen Erker, die gar nicht satirisch
gemeint sind4 (Abb. 2—4), sondern ein Bekenntnis zum mittelalterlichen Glauben
bedeuten. Die Darstellung des Einhorns, das sich in den Schoß der Jungfrau
flüchtet, als es vom wilden Jäger verfolgt wird (hier durch Amor als Putto mit
dem Hund und dem Horn auf der rechten Erkerseite wiedergegeben), bedeutet
Christus und die Flucht der christlichen Menschenseele vor den Trieben der
Welt in den keuschen Schoß der Muttergottes, das heißt der Tugend, der christlichen
Minne. In der Keuschheit und Tugend ist die höchste Kraft, die selbst
dem starken Fabeltier Schutz geAvühren kann, eine höhere Kraft als die Muskelstärke
des Herkules, der Stiere an den Hörnern bändigt (wie es am linken
Erkerrelief zu sehen ist). Daß diese Reliefs solche Bedeutung haben, sprechen
sie selbst durch einen Vers, ein Distichon, auf dem Spruchband über dem Einhorn
aus:

43


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1957/0043