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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1958/0071
Besuch Voltaires, mit dem sie durch. Jahrzehnte in Briefwechsel blieb. Von den
neuen deutschen Schriftstellern schätzte sie wie alle höfischen Menschen besonders
Christoph Martin Wieland, der das französische Rokoko gewissermaßen
eindeutschte und der Gesellschaft den Übergang zur deutschen
Literatur erleichterte; daneben andere „kulante" hoffähige bürgerliche Poeten
wie den Kolmarer Fabeldichter Pfeffel. Die Wertschätzung, die auch Karl
Friedrich den beiden zollte, galt mehr den Pädagogen: von Pfeffel wie Wieland
holte er Ratschläge für die Reform seines Gymnasiums ein.

Wenn also der Markgraf mehr den staatswichtigen Wissenschaften wie
Nationalökonomie und Pädagogik zugekehrt erscheint - - warum hat nicht der
Schöngeist Karoline Luise wie ihre Altersgenossin, die Herzogin-Mutter von
Weimar, einen Musenhof um sich geschaffen? Voltaire rühmt an ihr „die
Größe ohne Stolz, die Milde ohne Schwäche"; sie beherrschte ihren Lebenskreis
und wußte sich unbedingte Anerkennung und Geltung zu verschaffen. Sie war
dazu klug, vielseitig interessiert, auf manchen Gebieten, wie dem der Medizin
und der Naturwissenschaften, geradezu gelehrt, deshalb freilich auch eine
schwierige und anspruchsvolle Gesprächspartnerin. Lavater nennt sie nach
dem ersten Eindruck die „Vielwisserin und Vielfragerin von Baden". Sie hat
Großes geschaffen oder doch in die Wege geleitet: ein hübsches Maltalent führt
sie zur Begründung der Gemäldegalerie, ihre Studien zur Schaffung des
Botanischen Gartens. Aber sie verstand es nicht, das schwere Gold des Geistes
in die leichte Münze geselligen Verkehrs zu verwandeln, pflegte sogar bedeutende
Besucher meist in internem Kreise, wo nicht en famille zu empfangen.
So wurde diese Gesellschaft selbst geistig nicht durchgeformt. Mag Wielands
böses Urteil, daß die Karlsruher Oberschicht erschreckend geistlos sei und nur
aus Liebedienerei höhere Interessen vortäusche, übertrieben sein, so war doch
das geistig-gesellige Leben am Hof nicht intensiv und bewegt genug, auch nur
einen der bedeutenden deutschen Geister festzuhalten. Dazu kam noch, vom
Markgrafen mühsam neutralisiert, der Hader der Llofparteien, bei dem sich
der für Karlsruhe so charakteristische Gegensatz zwischen Einheimischen und
Fremden mit dem allgemeinen zwischen den Anhängern der französischen und
der deutschen Geschmacksrichtung verband.

Als ihre Führer erscheinen der Prediger und Prinzenerzieher Friedrich
D ominicus Ring aus Straßburg, der „gelehrte Gottseibeiuns", wie Herder
ihn genannt hat, ein typischer Höfling von westlicher Bildung, und der
Lübecker Buchhändlerssohn J o h a n n Lorenz B ö c k m a n n , Kirchenrat
und bedeutender Physiker des Gymnasiums, zugleich erster deutscher Vorleser
. Lehrer und Freund der markgräflichen Familie — der eigentliche Mittelsmann
zwischen dem Markgrafen und den deutschen Großen.

Diese Begegnungen des Markgrafen mit dem deutschen Geist sind nicht
Ausfluß modischen fürstlichen Mäzenatentums, sondern Ausdruck eines tief
persönlichen Gehalts; ohne geschichtliche Nachwirkung, aber von sinnbildlicher
Kraft. Auch hier sprechen sich bei ihm nicht eigentlich ästhetische, literarische
Neigungen aus. Aber wie Karoline Luise dem naturwissenschaftlichen
Zuge der Zeit folgt, so ist er den ideellen Unterströmungen des neuen deutschen
Dicht ens und Denkens nahe, die ihm in den Begriffen „Nation" und
..Religio n" faßbar werden. So läßt er im Anfang der siebziger Jahre J o h a n n
Gottfried Herder in seiner Kirche über die „Bestimmung des Menschen"
predigen und erörtert mit ihm den Plan zur Gründung einer Deutschen Akademie
, die über die Schranken des Territorialstaats und die Rivalitäten der

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