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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1958/0072
Duodez-Souveräne hinweg die aufgeklärten Geister Deutschlands zusammenführen
und unter den Auspizien der Regenten auf den Genieingeist ihrer
Völker wirken soll. So unternimmt er einige Jahre später den Versuch, Friedrich
Gottlieb Klopstock, den verehrten „Dichter der Religion und des
Vaterlandes", dauernd nach Karlsruhe zu ziehen. Der Dichter nimmt die Ernennung
zum badischen Hof rat mit hohem Jahresgehalt an; wenn er die Bedingung
stellt, daß seine Unabhängigkeit durch keinerlei amtliche Verpflichtungen
eingeschränkt werden dürfe; wenn der Monarch ihm versichert: „Die
Freiheit ist das edelste Recht des Menschen und von den Wissenschaften ganz
unzertrennlich," dann ist damit schon der Ton angeschlagen, der für das ganze
Verhältnis bestimmend bleibt. Ein Fürst im Reiche der Geister steigt huldvoll
zu einem Fürsten dieser Welt herab und nimmt, was ihm geboten wird, nicht
als Gnade, sondern als schuldigen Tribut entgegen. Hofzucht und Etikette
spielen keine Rolle mehr. Der Fürst sucht den Dichter auf, der Dichter erteilt
dem Fürsten Audienz.

Nirgendwo in Deutschland ist Geistesgröße als neuer Wert so absolut genommen
worden wie von Karl Friedrich, den Fterder den „ersten Fürsten
ohne Fürstenmiene", Klopstock den „fürstlichen Weisen" nennt. Aber eben
dadurch wurde das Verhältnis zu scharf aus der Umgebung herausgehoben,
der Neuankömmling, für den nicht gelten sollte, was für alle galt, zu sehr
isoliert. Fehlte dem Markgrafen die Weimarer Weltklugheit, so seinem niederdeutschen
Gast das Anpassungsvermögen Goethes.

Seine Verachtung aller höfischen Form, seine Ablehnung französischen
Geistes, seine geistige Exklusivität riefen die Hofpartei um Ring auf den Plan.
Das Experiment mußte mißlingen. Daß Klopstock schließlich gegen die Vereinbarung
und ohne Gruß und Abschied fortreist, um nie wiederzukehren,
der Markgraf trotzdem sein Gehalt weiterzahlt und mit ihm in freundschaftlichem
Briefwechsel bleibt, ist kennzeichnend für den einen wie den andern.

Wenn Klopstock wenig später dem Genietreiben des Weimarer Hofes
mahnend die schlichte Würde des badischen Markgrafenpaares gegenüberstellt
, so fordert er eine Vergleichung der beiden Fürsten heraus. Karl August
von Weimar, der um die gleiche Zeit im gleichen oberrheinischen Raum zu
Goethe findet, wirft als jugendlich-genialischer Fürst des Sturms und Drangs
gemeinsam mit seinem Gefährten das neue „Bürgergut der freien Persönlichkeit
" revolutionierend in die zopfige Unnatur des Hoflebens — um schließlich
doch der Konvention zu erliegen. Dem badischen Markgrafen steht der reife
Goethe näher, der nun gleich ihm einen unberührbaren Bezirk abgrenzt gegen
die höfische „Verödung der Persönlichkeit". Was sie verbindet, ist nicht der
Kult des Ich, sondern ein anderes Bürgergut: der „Esprit d'ordre", der Geist
der Selbstzucht und Ordnung, der Sinn für sachliches Planen und Bauen.

So hat man in Karl Friedrich den eigentlichen Fürstentyp der deutschen
Klassik gesehen; nur beruht seine Humanität nicht wie die Goethesche auf der
Überwindung des Elementarischen, Hemmungslos-Subjektiven, sondern auf
seiner bloßen Ablehnung. Zwischen ihm und den jugendlichen Stürmern, die
doch vom nahen Straßburg ihren Ausgang genommen hatten, ist nie eine Annäherung
erfolgt, wie auch die geistigen Führer der älteren Generation am
Oberrhein, die Pfeffel, Schlosser, Oberlin, den schweifenden Genies bei aller
Hilfsbereitschaft mit kühler Zurückhaltung gegenüberstanden. Eine Ausnahme
bilden hier wie dort nur die eigentlich religiösen Geister der Bewegung -
Johann Kaspar Lavater und Heinrich Jung-Stilling.

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