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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1958/0078
Freiburgs nächtliche Straßen mit lautem Gesang. Als der Prälat ihn bedenklich
auf eine Gruppe junger Leute aufmerksam macht, erhält er die Antwort: „Das
macht nichts. Das sind meine Studenten. Die kennen mich alle." Man spürt,
daß hier eine verwandte Saite in Hebel anklingt — die souveräne Überlegenheit
über die nichtigen AVichtigkeiten des Alltags, die humorvolle Lebensmeisterung
. Auch dieser Freund verdient einen Platz in Hebels seltsamem
Geheimbund der „Proteuser", der Verwandler: sie verwandeln die nüchterne
Welt der „Schwabenhämmel" in Poesie, tote Gelehrsamkeit in lebendige
Geistesnahrung, lastendes Wissen in leichte Gebilde geselligen Witzes. Mit
dem schwersten Metall, dem Gold, wissen sie nichts anzufangen, aber das
leichteste Wasser, den Wein, „proteisieren" sie in Geist.

So hat sich zu Gmelin, dem „Chrüterma vo Badewiler", in Ittner der
„Vogtma vo Fryburg" gesellt. Vogt der Musen für Hebel nicht bloß um seiner
akademischen Würde willen: Ittner empfiehlt sich ebensosehr als Naturwissenschaftler
, wie auch in zahlreichen ernsten und heiteren Prosastücken als
kultivierter, freisinniger, humaner Erzähler. Auf beiden Feldern ist er Beschützer
und Freund der stärkeren Begabungen: dort des jungen Ortenauer
Studenten Lorenz Oken, der zum großen Naturforscher und Philosophen
heranreift und einmal in der Stadt Lavaters erster Rektor der Universität sein
wird, hier Jacobis und Hebels. Indem Ittner zwischen beiden vermittelt, kommt
Hebel mit einem andersartigen literarischen Kreis in Berührung, dem um
das Freiburger Taschenbuch „Iris". Wenn nun Jacobi die „Alemannischen
Gedichte" lobend beurteilt, Proben in hochdeutscher Fassung aufnimmt, jener
Naturwissenschaftler Wild in Müllheim eins der Lieder vertont, so zeigt sich
darin, daß der Musenvogt und sein Gefolge gleichermaßen aufgeschlossen sind
wie für die klassizistische, so für die volkstümlich-deutsche Tendenz der zeitgenössischen
Literatur. Bei allen tritt neben
die gemeinsame Liebe zu dem Alten und die
Freude am Schnörkelwerk eines Rokoko-
Humanismus, der seinen sinnfälligen Niederschlag
in ihren griechischen oder lateinischen
Episteln und Poemen gefunden hat, eine
echte Teilnahme an Leben und Eigenart der
deutschen Sprache.

Wenn wir von Karlsruhe und Freiburg
aus den Zusammenhängen des literarischen
Schaffens nachgehen, finden wir als seine
ITauptträger wiederum im Norden Geistliche
und Beamte, im Süden Prälaten und Aristokraten
. Doch kommt jetzt ein entscheidend
Neues hinzu: die außerordentliche Bedeutung,
die der berühmte Beiträger der „Iris", der
Konstanzer Bistumsverweser v. W essen-
berg, für das kulturelle Leben des Raums
gewonnen hat, beruht nicht auf seinem umfangreichen
dichterischen Schaffen; es ist dem
seines Freundes und Rivalen, des lutherischen
Prälaten Llebel, weder an religiös-moralischer
Breitenwirkung noch an künstlerischem Wert
vergleichbar. Sie beruht — wie bei Karl Fried-

Abb. 15 Ignaz Heinrich Freiherr
v. Wessenberg

Gemalt von Marie Ellenrieder,
lith. von J. Brodtmann, 1822

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