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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1958/0108
benachbarten badischen Untertanen erregt, welche die breisgauischen Beamten
nur Kratzfüßler nennen."

Die Sammlung der Berichte Greifeneggs an den Herzog, die sich im Staatsarchiv
in Modeiia befindet, legt eine Revision dieses Geschichtsbildes nahe.

Zwar ist Greifeneggs politischer und geistiger Standpunkt noch im ancien
regime zu suchen: seiner aristokratischen und autokratischen Persönlichkeit
erscheint sogar die Ständeverfassung des Breisgaus als suspekt. Seine Sympathie
gehört den „besser denkenden Ständen", deren Übereinstimmung mit
den Absichten der Regierung gesichert scheint, sein Mißtrauen und seine
Abneigung gelten der Initiative und der Person des gesamtständischen Syndikus
und seiner Mitarbeiter. In der Tätigkeit dieser bürgerlichen Juristen,
die an keinen der privilegierten Stände innerlich gebunden sind, aber ihr
Können und Wissen ihnen leihen, verspürt er das Heraufkommen einer neuen
Zeit, der das Ende des Feudalismus unwiderruflich besiegelt. Sein Versuch,
die Funktionäre der Stände in Organe der Staatsverwaltung umzuwandeln,
scheitert, die Stände behaupten sich mit ihren Privilegien, die das bereits
überlebte Erbe der Vergangenheit bilden, aber zugleich mit ihrem Postulat
der Selbstverwaltung und Mitbestimmung, das, in die Zukunft weisend, dem
Aufkommen liberaler Regierungsformen voraneilt. Von einer Mitwirkung des
ganzen Volkes an den öffentlichen Angelegenheiten ist noch nicht die Rede.
Aber 13 Jahre später, nach dem erzwungenen Abgang Greifeneggs, wird das
zu einer staatlichen Einheit verbundene badische Volk aus der Hand seines
Monarchen die aufoktroyierte Verfassung entgegennehmen, die seine demokratische
Mitverantwortung begründet.

Ist es nur dem Panegyrismus der Totenehrung zuzuschreiben, wenn Greifenegg
, der dem Alten mehr verhaftet als dem Neuen zugewandt scheint, bescheinigt
wird, er sei nicht nur mit seinem Zeitalter fortgeschritten, sondern
demselben vorangeeilt? Haben die restaurativen Kräfte der großen Allianz
nur Thron und Altar verteidigt, nur Dynastie und Monarchie zu schützen versucht
, als sie den politischen Bewegungen der Völker sich entgegenstemmten?
Oder sollten manche von ihnen hellsichtig genug gewesen sein, Gefahren zu
wittern, die der heraufkommenden Demokratie wie jedem denkbaren Verfassungssystem
innewohnen, zu.einem Zeitpunkt, in dem die neuen Formen
staatlichen Lebens sich erst am Horizonte abzeichneten? Oder war es ganz
einfach der unauflösbare Widerspruch zwischen der herrischen, aber in sich
gegründeten Persönlichkeit und dem Geist des Zeitalters, das einen Mann wie
Greifenegg zugleich im Vergangenen verhaftet und seinem Zeitalter voraneilend
kennzeichnet? Entscheidet wirklich Klio oder nicht viel mehr der Erfolg,
ob der starke Einzelne, der seiner Zeit entgegentritt, ihr voraneilt oder ihr
nachhinkt ?

Ist Greifenegg so der Exponent einer in Umbildung befindlichen Zeit, so
entledigt er sich, „mit einem rastlosen Geist und den mannichfaltigsten Kenntnissen
ausgerüstet", seiner Aufgabe mit unablässiger Tatkraft und unermüdlichem
Eifer, mit Sachkunde und Sachverstand, mit dem Sinn für das Praktische,
Nützliche und Zweckmäßige, der dem Verwaltungsbeamten unentbehrlich ist
und dem eine gute allgemeine Ausbildung und vielseitige und vielschichtige
Interessen zur Seite stehen. Er ist ein redlicher Sachwalter und ein treu ergebener
Diener seiner Herren, des im entfernten Exil residierenden Herzogs von Mo-
dena und des „guten Vaters Ferdinand", die es ihr Land zu sehen nie gelüstete.

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