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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1959/0046
überliegenden, nach dem Mittelschiff geöffneten Emporenkapelle (die meist
dem heiligen Michael geweiht war) finden wir den Bangedanken der karolingi-
schen und ottonischen Westwerke. Ihn nimmt der Meister bei seinem Freiburger
Westturm wieder auf, nunmehr übersetzt in die Formen der reifen Gotik. Für
diese neue Gestaltung des Einturms vor der Westfront gab es für ihn weder
Vorbild noch Anregung. Er hat hier ein ebenso großartiges wie selbständiges
Werk geschaffen, das richtungweisend vor allem für die deutsche Baukunst
werden sollte.

In klaren und ruhigen Quaderflächen, die westlichen Turinkanten zwischen
den mächtigen abgetreppten Strebepfeilern sichtbar lassend, baut sich der Turmunterteil
auf. Die Horizontalgliederung der unteren Geschosse ist aus den Seitenschiffen
entwickelt. Die Rosen entsprechen der Bogenöffnung des Vorhalleneingangs
wie dem Bogenfeld des inneren Portals. Nur die Westseite ist durch das
große reichprofilierte und -gegliederte Portal50 mit der Marienkrönung im Wimperg
aufgebrochen, erst im nächsten Geschoß finden sich an drei Seiten die Maßwerkfenster
der Michaelskapelle. Das Äußere ist nur sparsam mit bildnerischem
Schmuck versehen. Der Turm soll durch die gewaltigen Massen des Mauerwerks
und die architektonische Gliederung wirken. Den ganzen Reichtum der Gestaltungsmöglichkeiten
konzentriert der Meister in der Vorhalle. Die Ostwand
des feierlichen Raumes wird von dem vielgliedrigen Portal gefüllt, dessen Gewände
, Archivolten und Tympanon eine Fülle von Skulpturen schmücken, am
Mittelpfeiler die Muttergottes als Patronin des Münsters. Die Wände sind über
einem ringsumlauf enden, als doppelte Sitzbank gebildeten Sockel mit einer
reichen Arkatur gegliedert, zwischen deren Wimpergen unter Baldachinen
Figuren stehen. Gleichzeitig mit der Architektur sind neben dem dekorativen
Gerüst nur die mit ihr in festem Verband stehenden Skulpturen entstanden.
Die übrigen folgen in den Jahrzehnten nach 1280 bis um 1310. Wir haben Anzeichen
, daß die Figuren über den Arkaden und im Portalgewände ursprünglich
etwas zierlicher geplant waren und sich dem festlichen Rhythmus des Raums
noch harmonischer eingefügt hätten. Über der Vorhalle befindet sich, durch
Treppentürme beiderseits zugänglich, eine ähnlich proportionierte Empore, die
dem heiligen Michael geweihte Kapelle mit breiter Öffnung nach dem Mittelschiff
. Sie ist ganz ohne plastischen Schmuck und wirkt nur durch ihre Architektur
. Mit dem Gesims am Fuß des Uhrgeschosses hört die Tätigkeit des Baumeisters
auf. In gleicher Höhe läuft im Innern des Turms unmittelbar über dem
Gewölbe der Michaelskapelle eine Vorkragung ringsum. Auf ihr sitzt der
17,8 Meter hohe quadratische Glockenstuhl aus mächtigen Föhrenbalken auf.
Er ist vor der Erbauung der Umfassungsmauern frei aufgerichtet worden und
war eine Zeitlang außen gegen Witterungseinflüsse verschalt51.

Der Meister hat aus Straßburg einen wesentlichen Teil seines dortigen
Hüttenpersonals mitgebracht, wie die enge Verwandtschaft und die hohe
Qualität aller, besonders auch der dekorativen Arbeiten, zeigt. Aber während
seiner wohl mindestens drei Jahrzehnte dauernden Tätigkeit in Freiburg müssen
wir einen ständigen Zuzug neuer Kräfte annehmen, wie die Entwicklung vor
allem des Maßwerks, des dekorativen Details und der Profile bis zum Michaelsgeschoß
bei einheitlicher Bauführung im ganzen erkennen läßt. Während für

50 Hier kehrt, wie auch am Nordportal von S. Peter und Paul in Neuweiler i. Eis., _die doppelte Pfeiler-
reihung des Westportals von Notre Dame in Dijon wieder; s. o. S. 3? und Anm. 25.

5! Friedrich Adler: Das Münster zu Freiburg i. Br. In: Deutsche Bauzeitung 15. Jg. Berlin 1881. 505. —
Friedrich Kempf: Alter Glockenstuhl und Glockenhang im Freiburger und Straßburger Münster. In:
Zeitschrift für Bauwesen 74. Jg. Berlin 1924. 22—26.

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