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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1959/0051
Ein oberrheinischer Schmerzensmann
des sogenannten „Weichen Stils

Von Irmingard G e i s 1 e r

Herrn Professor Dr. Werner Noack, Freiburg, in dankbarer Vereitl ung zum 70. Geburtstag gewidmet

von Irmingard Geisler

Unter den Andachtsbildern der Spätgotik hat der Schmerzensmann vielleicht
die größte Verbreitung erfahren. Mit der Aufnahme dieses beliebten
Themas geschah gleichzeitig seine individuelle, landschaftlich gebundene Abwandlung
. Stehend oder als Halbfigur, mit Sarg oder Wolkenband, umgeben
von Engeln und den Leidenswerkzeugen, tot oder lebendig hat er als Bildtypus
in alle Zweige der bildenden Kunst Eingang gefunden.

In der deutschen Plastik ist dieses aus mystischen Vorstellungen erwachsene
Thema seit dem 14. Jahrhundert bekannt1. Ursprünglich liegt ihm eine
Halbfigur des Schmerzensmannes zugrunde, die ihre abendländische Genesis
von einem Gnadenbild des 13. Jahrhunderts aus S. Croce in Gerusalemme in
Rom ableitet. Bei jenem handelt es sich jedoch nur um das Bruchstück einer
Kopie aus einem verlorenen Bildzyklus, den der H. Gregor nach seiner Vision
während der Messe in Auftrag gegeben haben soll2.

Am häufigsten ist der plastische Schmerzensmann auf Epithaphien dargestellt
, wo er ganz oder in halber Figur in Zusammenhang mit den Verstorbenen
abgebildet wird. Weniger verbreitet ist der Halbfigur-Typus als isoliertes
Andachtsbild. Die meisten erhaltenen Beispiele stammen aus dem
Donaugebiet1'. Bei jener Gruppe ist Christus, halbtot, mit nach unten gekreuzten
Armen dargestellt4. Um so mehr verdient ein Schmerzensmann des sehr
seltenen Typus mit den nach oben verschränkten Händen Beachtung, der, aus
seinem architektonischen Zusammenhang herausgerissen, als Kleinplastik auf
uns gekommen ist3 (Abb. 1 und 2).

Christus, über einem eng gekräuselten, muschelartig ausgebogten Wol-
kenband, umgürtet mit dem Lendentuch, ist in der traurigen Gebärde des
Gemarterten dargestellt. Ein wenig das Haupt dem Anbetenden zugeneigt,
blickt er aus angeschwollenen Augen herab. Die wulstige Dornenkrone liegt
kranzartig fest um das Haupt, jede Windung stößt eine Dornenzacke zur

1 G. v. d. Osten: Der Schmerzensmann, Berlin 1935
W. Mersmann: Der Schmerzensmann, Düsseldorf 1952

- W. Mersmann: a. a. O. S. VI ff. Wahrscheinlich nimmt dieser Zyklus ein Kompositionsschema auf, das

in der Grabeskirche in Jerusalem vorgebildet wurde.
3 G. v. d. Osten: a. a. O. Abb. 43 und 44

J G. v. d. Osten: a. a. O. unterscheidet zwei Typen: Den mit nach unten und den mit nach oben verschränkten
Armen.

5 Höhe 31 cm, Standfläche 13 cm, Kunststeinguß, vollrund, Rückseite ausgearbeitet. Spätere, dick aufgetragene
Fassung: Der Leib fleischfarben, Haar und Bart braun, Dornenkrone grün, Lendentuch weifi.
Das Wolkenband und die Augen haben noch die blaue, ursprüngliche Temperafassung. — Geifiel oder
Rute befand sich in der Rechten, wofür ein Loch in der Steinmasse ausgespart ist.

4 Schau-ins-Land

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