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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1961/0039
Wenn nun auch die passive Haltung des Freiburger Rechtslehrers und seines
bedeutenden Basler Schülers nicht erst oder ferner bewiesen zu werden
braucht32, so ergeben sich aus ihr noch zwei Fragen. Zunächst: Wie ist solche
Teilnahmslosigkeit zu erklären? Ferner: Wieso kommt es, daß trotz dieses
unleugbaren Verhaltens die beiden Juristen, Zasius und sein junger Hausgenosse
Bonifacius Amerbach, dem Magister Schlauraff bei seinem Freiburger
Besuch entgegentreten und dem Leser in den Dunkelmännerbriefen begegnen?
Über das Rätsel der ersten wird die vorwegzunehmende Beantwortung der
zweiten Frage einiges Licht verbreiten.

Indem wir nun zu dieser schreiten, müssen wir einer Beobachtung Aufmerksamkeit
schenken, welche sich bei der Beschäftigung mit den Epistolae obscuro-
rum virorum, und zwar hinsichtlich der Erwähnung anderer Personen und Gegenstände
, bereits früheren Forschern aufgedrängt hat. Unabhängig von diesen
bin ich zu ihr durch eine Erklärung veranlaßt worden, die Willibald Pirck-
heimer in einem Rechtfertigungsschreiben an Erasmus zu seiner eigenen Verteidigung
gerichtet hat. Erasmus, der zwar entschieden auf Reuchlins Seite
stand, aber immer in vorsichtig zurückhaltender Stellung verblieb, hatte seiner
Unzufriedenheit über die Aufzählung einer Reihe von Gelehrten in Pirck-
heimers Epistola apologetica pro Reuchlino von 151733 Ausdruck gegeben, unter
denen übrigens Zasius nicht genannt ist: „Denn welcher Gelehrte und tüchtige
Mann steht nicht auf Seite Reuchlins?34". Pirckheimer klärt nun Erasmus über
die Methode und Absicht seines Vorgehens auf. Nicht alle in dem Verzeichnis
Genannten, so führt er aus, sollten ehrenhalber erwähnt werden. Er wisse wohl,
daß Gelehrte und Ungelehrte, Gute und Böse, ja sogar Freunde und Feinde
ohne Unterschied erwähnt werden. Die Gelehrten und Guten waren des Lobes
würdig, die Guten und Mächtigen, wenngleich wenig Aufgeklärten, sollten den
Bösen als eine Schutzwehr entgegengestellt werden. Die Gelehrten, welche entweder
zweifelhaft oder ungünstig gesinnt waren, sollten ermuntert oder gewonnen
werden, den Widersachern aber sollte gegen andere Widersacher Argwohn
eingeflößt werden. In diesen Erwartungen habe sich der Brief Schreiber
auch nicht getäuscht; sie seien eher noch übertroffen worden. Er habe nicht nur
die Schwankenden gestärkt, sondern auch viele auf seine Seite gebracht, so daß

32 Hans Thieme, der in seinem schönen Vortrag „Zasius und Freiburg" (Aus der Geschichte der Rechtsund
Staatswissenschaften zu Freiburg i. Br., herausgeg. von Hans Julius Wolff, Freiburg i. Br. 1957,
S. 19 f.) alle Seiten von Zasius' Leben und Wirken durch interessante Schlaglichter beleuchtete, hat
seine Stellungnahme oder richtiger Passivität im Reuchlinschen Streit nicht erwähnt; und das, obwohl
er über Zasius' Umgang mit Gelehrten aus aller Welt ausführlich berichtet. Sicherlich hätte er auch das
Verhältnis zu Reuchlin berührt, wenn auf ein solches aus den Akten hätte geschlossen werden können.
Herr Kollege Thieme hat mir die Richtigkeit dieser Auffassung brieflich bestätigt. Auch der handschriftliche
„Akademikerkatalog" der Universitätsbibliothek Basel gibt keinen Aufschluß über eine unmittelbare
Verbindung Zasius—Reuchlin (freundliche Auskunft von Herrn Dr. Andreas Staehelin, Basel).

ssßilibaldi Pirckheymeri Epistola apologetica, gedruckt bei von der Hardt, II,
S. 130—138; leider noch nicht in den bisher vorliegenden Bänden von Emil R e i c k e , Willibald
Pirckheimers Briefwechsel, I, II, München 1940, 1936.

»1 Erasmus an Pirckheimer, Louvain, 2. November 1517, Allen, III, Nr. 694, S. 119, Z. 10S—112: „Ne nihil
reprehendam, mi Bilibalde, in tuo libello alioquin doctissimo, mihi non admodum catalogus ille
Reuchlino fauentium probatur. Quis enim vsquam ilIi non fauet eruditus ac pius? Quis non istam
cxccratur beluam, nisi qui aut causam non intelligit aut publico malo suis consulit commodis?" Dazu
Manfred Krebs, Reuchlins Beziehungen zu Erasmus von Rotterdam, Reuchlin-Festgabe 1955,
S. 146 ff. Vgl. auch Erasmus zu Gunsten Reuchlins an den Grafen Hermann von Neuenahr, Louvain,
25. August 1517, Allen, III, Nr. 636, S. 58 f., Z. 28—34: „. . . Sic enim faueo Reuchlino ob eruditionem
vt mihi cum Hochstrato aut aliis huius factionis nulluni omnino sit bellum, cum ad me causa nihil
attineat; etiamsi non probo, neque quisquam vir vere pius probat, istas tarn virulentas insectationes,
quae a spiritu mundi, non Christi, proficiscunter. Certe vbicunque terrarum adhuc fui, optimus quis-
que Reuchlino fauet". In einem Brief aus Basel vom August 1514 (Allen, II, Nr. 300, S. 5) apostrophiert
Erasmus Reuchlin wie folgt: ..... vale, totius Germaniae vere vnicum decus et ornamentum

mcomparabile"; daselbst, Nr. 457, S. 331 (August 1516): „Bene vale, Germaniae nostrae decus".

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