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Neigung vorgehalten wird? Dieser Vorwurf hat in der Tat historische Berechtigung
. Hatte sich doch Zasius in seiner Erstlingsschrift Quaestiones de parvulis
Iudaeorum bapiisandis a communi Doctorum assertione dissidentes (Straßburg
1508), ausgehend von der Annahme, daß die Juden rechtlich als Sklaven zu
betrachten und zu behandeln seien, im Gegensatz zur traditionellen Lehre der
Kirche und der auch zu seiner Zeit unter den Gelehrten herrschenden Ansicht
in der Frage der Zwangstaufe jüdischer Kinder der These von ihrer Berechtigung
und Zulässigkeit angeschlossen, mit welcher Duns Scotus fast allein in der
Literatur der Zeit dasteht40. Zasius hatte sie unter Aufgebot alles juristischen
Scharfsinns und Rüstzeugs kraftvoll verfochten. Bei Erörterung des mit dieser
Lehre zusammenhängenden Problems der Rechtsstellung der Juden hatte er
in seinen Vorlesungen an einer ziemlich versteckten Stelle, die allen Forschern
bisher entgangen ist, ohne Namensnennung einen unmißverständlichen Seitenhieb
gegen Reuchlin geführt41. Denn dieser hatte die These verfochten, daß die
Juden als Untertanen des Heiligen Römischen Reichs, concives Romani Imperii,
bei den kaiserlichen Rechten belassen werden sollten und sich zu dem thomisti-
schen Standpunkt des unbedingten Verbotes der Zwangstaufe jüdischer Kinder
bekannt42. Da Zasius' judenfeindliche Einstellung und persönlicher Judenhaß
als bekannt vorausgesetzt werden müssen, konnte von einem öffentlichen Eintreten
für Reuchlin auch nicht eine Spur verfolgt oder aufgefunden werden.
Er konnte sich in der Sache weder engagieren, noch für Reuchlin eintreten,
dessen Standpunkt und Haltung der jüdischen Literatur und den Juden gegenüber
er im allgemeinen und besonders in der Frage der Taufe jüdischer Kinder
ablehnte. Das müssen auch Reuchlins Freunde, besonders Hutten, beobachtet
haben. So läßt sich Zasius' LIerausstellung in den Epistolae obscurorum virorum
nur aus der früher dargelegten Tendenz verstehen und erklären: er sollte aus
seiner lauen Haltung herausgelockt oder anderen Gegnern wenigstens verdächtig
gemacht werden43.

40 Siehe künftig G. K i s c h , Zasius und Reuchlin, Kapitel I; ausführliche Darstellung der Vorgeschichte
und Diskussion der hochscholastischen Kontroverse bei Josef Sc h röteler, Das Elternrecht in
der katholisch-theologischen Auseinandersetzung, München 1936, S. 143—254, besonders S. 240—251,
202—211.

41 Näheres bei G. lisch, a.a. O., Kapitel IV, Udalrici Zasii In sequentes Digesti Veteris titulos
Lecturae . . ., Basel 1537, S. 64, zu D. i. 3. 25: „Et extra casus, qui eis [iudaeis] permittuntur, omnis
rigor est contra eos exercendus, dicit gl. c. II de indaeis, [X, 5, 6, c. 2], quapropter nec ciues sunt, nec
quicquam iuris habent, quod ad ciues pertineat; licet nuper ex doctis quispiam aliter scripsit, sed
non vere".

42 Näheres bei G. Kisch, a.a.O., Kapitel III. Reuchlin, Ratschlag, ob man den Juden alle ire
bücher nemmen, abthun vnnd verbrennen soll, bei von d e r H a r d t , II, S. 20 B, 21 B, 36 A und 34 B.

43 Nur in diesem Sinne dürfte Genselinus' folgender Bericht (Epistolae obscurorum virorum, I, 8,
B ö c k i n g , Suppl., I, S. 12, Z. 32—35: B ö m e r , II, S. 17; I, S. 48) zu verstehen sein, wenn er überhaupt
auf Zasius zu beziehen ist, wie Böcking, Suppl., II, S. 537, zu Z. 53, meint: „Sed aliqui socii,
qui non habent intelligentiam, et etiam iuristae, qui non sunt illuminati in fide christiana, spernunt
vos, et loquunter multa contra vos sed non possunt praevalere, quia facultas theologica tenet vobis-
cum". Böcking kann seine Annahme nur auf Zasius' Nennung in den Epist. obsc. vir., II, 9, Z. 135,
stützen. Er erwähnt aber auch das Sprichwort „Juristen böse Christen" (..dicterium iuristas malos esse
Christianos"), auf das mir die Anspielung plausibler scheint. Über dieses Sprichwort siehe Roderich
S t i n t z i n g. Das Sprichwort „Juristen böse Christen" in seinen geschichtlichen Bedeutungen, Bonn
1875; S t i n t z i n g , Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, I. München und Leipzig 1880. S. 72 f.
Für die von mir vorgezogene Ansicht läßt sich anführen, daß unter Genselinus vielleicht Thomas Murner
gemeint sein könnte, (so Böcking, Suppl., II. S. 537. zu Z. 27), in dessen kurz vor dem ersten Teil
der Dunkelmännerbriefe erschienener Schrift „Die Schelmenzunft" (Frankfurt 1512, Augsburg 1513,
1514) das Sprichwort in der frühesten Formulierung des 16. Jahrhunderts vorkommt (S t'i n t z i n g ,
Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, I, S. 73, Arm. 1). Über den Haß der Obskuren gegen die
Juristen, zu denen ja auch Reuchlin selbst zählte, handelt ausführlich Börner, I. S. 45 f., 48 f. Es
erscheint mir aber durchaus nicht außer dem Bereich der Möglichkeit, bei den „iuristae" auch an
Mimier selbst zu denken, der sich, von 1513 bis 1514 in Freiburg aufhielt und gerade zur Rechtswissenschaft
übergegangen war. Er wollte sich in den Streit der Dominikaner mit Reuchlin nicht einmischen;
darüber Spanier (oben, Anm. 37). S. 92. Auf dem Titelblatt der History von der fier ketzren Pre-
trf^nnn ns c1nT obseruantz zu Bern im Schweitzer land verbrant in dem jar noch Christi geburt
MCCCCIX. Straßburg 1521. ist Murner neben Hochstraten im „Conciliabulum malignantium" abgebildet;
siehe die Reproduktion bei Benzing (oben, Anm. 16), S. XIII.

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