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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1961/0055
schüler eine Stelle als Rat, Syndikus oder Richter angeboten wurde, verließ er
regelmäßig seinen Lehrstuhl, und kein Zasiusschüler, der ein solches Amt erlangt
hatte, kehrte jemals wieder zur Universität zurück.

Der Grund dafür, daß fast alle Zasiusschüler Praktiker oder doch praktisch
ausgerichtete Juristen wurden, ist zunächst darin zu finden, daß die Stellungen
in Verwaltung und Justiz sehr viel besser dotiert wurden als die der Rechtslehrer
und ein praktisch tätiger Doktor der Rechte allgemein mehr Ansehen
genoß als ein Ordinarius. Deshalb trachteten alle Rechtslehrer danach, neben
ihrer Lehrtätigkeit gut bezahlte Gutachten zu erstatten und zu landesherrlichen
Räten ernannt zu werden. Damit standen sie dann sozial auf der gleichen Stufe
wie die reinen Praktiker, aber für wissenschaftliche Forschung blieb ihnen
kaum noch Zeit.

Neben diesen mehr äußerlichen Beweggründen ist diese Entwicklung vor
allein aus der damaligen Situation der Jurisprudenz in Deutschland zu verstehen
. Die Haiiptaufgabe der Juristen bestand in dieser Zeit darin, die Rezeption
durchzuführen, d.h. die Methode der Rechtsfindung, wie sie von den
Glossatoren und Kommentatoren entwickelt worden war, auf die überlieferte
Masse des deutschen Rechts zu übertragen und damit teilweise auch das
materielle Recht Oberitaliens mit dem deutschen Partikularrecht zu verschmelzen
. Diese Aufgabe konnte nur in der Weise gelöst werden, daß man
sich in Ausbildung und Rechtsprechung dem Überkommenen anpaßte. Erst viel
später, nach erfolgter Assimilierung, konnte man daran gehen, eigenständige
neue Formen zu entwickeln. Bis dahin stellten rein theoretische Bestrebungen
im wesentlichen nur eine Belastung dar, der die junge deutsche Rechtswissenschaft
damals noch nicht gewachsen war.

Schließlich teilte die humanistische Jurisprudenz das Schicksal des Humanis-
mus in Deutschland überhaupt: Die Gewalt der Revolution Martin Luthers,
deren unhumanistischem Weg zur Unfreiheit des Willens die Mehrzahl der
Erasmianer nicht zu folgen vermochte, beraubte die Humanisten ihrer bis dahin
führenden Rolle im deutschen Geistesleben. Wenn die Generation der Schüler
des Ulrich Zasius den Wert humanistischer Bildung auch weiterhin schätzte, so
schien ihnen das Altertum einer Wiederbelebung nun nicht mehr so bedürftig
wie vor Ausbruch der Reformation. Die kampffreudige Siegeszuversicht, die
Ulrich Zasius beflügelt hatte, für eine Erneuerung der Rechtswissenschaft im
Geiste der Antike zu kämpfen, vermochte ihnen der Humanismus nicht mehr
zu geben.

Aus dem Geiste des Humanismus heraus hatte Zasius seine Schüler jedoch
zu selbstbewußten, kritischen Juristen zu erziehen verstanden. Und in den
Bestrebungen des Ulrich Zasius und seiner Schüler finden sich Ansätze zu den
Entwicklungen der deutschen Rechtswissenschaft bis ins 19. Jahrhundert: das
Vernunftrecht hat Anregungen durch sie empfangen, der usus modernus
pandectarum hat hier seine Wurzeln, und in der historischen Rechtsschule
feierte die humanistische Jurisprudenz einen späten Triumph.

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