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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1964/0007
Es war ein schöner Frühwintertag. leicht nebelig. Ich ging nach 6 Uhr
abends noch zu Sintermann, um dort neue Bücher zu erwerben. . . . Ich erstand
vier Bücher für 82 Mark und entfernte mich nach 7 Uhr. Der aufgehende Vollmond
warf ein mildes Licht durch die noch stark belebten Straßen.

Zu Hause sah ich mir rasch noch die Erwerbungen an und absolvierte mein
Brevier: ich war bis zur Komplet gekommen, als es 8 Uhr schlug und gleich
das Nachtessen gerichtet sein sollte. Da, zwei Minuten nach 8 Uhr Voralarm,
in den hinein - - gegen Nordwesten — schon das Krachen mehrerer Bomben
fiel. Da es immer häufiger wurde und näher klang, machte ich mich schleunigst
auf den Weg nach dem Keller, zu dem auch Therese gleich sehr ängstlich
aufforderte0. Beim Hinuntereilen wurde das Gedröhne immer heftiger und
gehäufter. Im Keller angekommen, hörten wir schon in nächster Nähe die
Detonationen. In mir brach fühlbar etwas zusammen, die zuversichtliche Hoffnung
, daß Freiburg verschont bleibe. Sofort erteilte ich die Generalabsolution.

Ich hatte nun keine Vorstellung mehr, wieviel Bomben zu hören waren
und wie nahe um uns. Es war ein furchtbares, grauenvolles, pausenloses
Dröhnen, Beben und Klirren und ein Rauschen durch die Luft. Nach etwa
acht bis zehn Minuten - - aber auch die Zeitvorstellung setzte aus - - erlosch
das Licht. Schnell zündeten wir die Petroleumlampe an. Da, mit einem Male
ein unheimliches, furchtbares Rauschen über uns, daß alle drei7 aufschrien,
als gelte es unserem Hause, und im gleichen Augenblick ein ohrenbetäubendes
Krachen, ein Klirren und Splittern und Fauchen und ein atembenehmendes
Durchfegen vom südlichen Kellerfenster her über unsere Köpfe und Gesichter
weg, daß [uns] Hören und Sehen verging; im Gefolge eine Staubwolke, die
einen beinahe ersticken machte. Meine Schwester kniete am Boden neben mir
und rief alle Heiligen und Gottes Hilfe an. Wir alle vier wurden unwillkürlich
nach links gebeugt unter dem ungeheuerlichen Stoß.

Unmittelbar nach dieser Detonation wurden die Verbindungsplatten von
den Nachbarkellern mit Hämmern durchgeschlagen und gerufen, ob wir noch
lebten. Was passiert war und wie, wußten wir nicht; ob über unserem Keller
das Haus noch stehe, war zunächst nicht zu ermitteln. Erst um diese Zeit wurde
Vollalarm signalisiert, als Tausende von Menschen schon verschüttet waren.

Endlich, gegen 729 Uhr, ebbte dieser Höllenorkan ab und wurde es von
oben her ruhig. Wir wagten uns zunächst noch nicht in die Flöhe. Da erschien
nach 9 Uhr der junge Beyer, der als Kriegsversehrter im Schotzky wohnte,
im Keller, um nach uns zu sehen8. Er brachte die ersten Meldungen, daß [die]
Universität und Universitätsbibliothek schwer getroffen seien und Theater
und Berthold-Gymnasium brennen.

letzt verließen wir den Keller und bahnten uns über Trümmerstücken von
Türen. Fenstern, Deckenverputz den Weg in die Wohnung. Sie war wenigstens
noch erhalten, aber in bösem Zustand; schubtiefer Verputz auf dem
Boden. Türen und Fenster herausgerissen. Aber merkwürdig, meine Figuren
und Bilder noch alle an den Wänden9, auf dem Schreibtisch noch alles, wie
ich es verlassen hatte, im aufgeschlagenen Brevier noch genau der Komplet-

8 Die Schwester, die dem Bruder den Haushalt führte.

" Den gleichen'Luftschutzkeller benützten auch die Schwestern Frl. Lina und Frl. Elisabeth Reich, die Besitzerinnen
des Hauses.

8 Aus der Verwandtschaft der Geschwister Sauer; er wohnte in der nahegelegenen Pension Schotzky,
Werderstraße 8; jetzt Reg.-Rat in Karlsruhe.

0 Eine Fülle von archäologischen und kunstgeschichtlichen Kostbarkeiten.

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