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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1965/0187
versank, ertönte vom Elsaß her der Ruf „Zurück zur wahren Orgel!" Albert
Schweitzer erinnerte 1926 die Freiburger Tagung für Deutsche Orgelkunst in einem
aus Lambarene übersandten Brief an diese Anstrengungen, an die Prediger in der
Wüste, die für ihre unerwarteten Forderungen zuerst nur Hohn ernteten. Inzwischen
rückte die Erkenntnis Albert Schweitzers, „il faut revenir ä l'orgue polyphonique,
non orchestral", zum anerkannten Prinzip des Orgelbaues unserer Tage auf. Angeregt
durch die im Elsaß entstandene Reformbewegung, entdeckten die Franzosen
wieder Clicquot, in Norddeutschland kamen Praetorius und Schnitger, in Süddeutschland
Gabler und Riepp wieder zu Ehren. Die Elsässer selber wandten sich mit
Begeisterung den Werken der Straßburger Orgelbauer Silbermann zu. Nur den
Callinet blieben bis heute Nachruhm und Beachtung in der Öffentlichkeit versagt.

Wer wußte eigentlich noch davon, daß die Gebrüder Callinet vor 125 Jahren im
oberelsässischen Rufach die größte französische Orgelbauanstalt betrieben? Wem
war das schon bekannt, daß diese Meister mitten im 19. Jahrhundert noch Orgeln
..ä la facon du XVIIIe" bauten und dafür als Traditionalisten und Zurückgebliebene
verschmäht wurden? Nicht allein die große Anzahl der von der Ruf acher Firma
errichteten Orgeln erregte das Interesse des Autors, vielmehr ist es die künstlerische
Bedeutung der dem barocken Ideal der „orgue polyphonique" huldigenden Callinet
gewesen, die Meyer-Siat zu seinen Nachforschungen anreizte. Was bei der Lektüre
des Buches überrascht, das sind die verwandtschaftlichen Zusammenhänge der Ruf-
acher Meister mit dem süddeutschen Orgelbauer Karl Joseph Riepp (1710—1775),
dessen Chororgeln in der Klosterkirche Ottobeuren „parmi les plus magnifiques
orgues du monde", unter die prächtigsten Orgelschöpfungen der Welt zu zählen
sind. Die Callinet, berufen, das Erbe des nach Dijon eingewanderten Meisters Riepp
zu pflegen, können deshalb nur vom künstlerischen Ursprung ihrer Werkstatt aus
richtig verstanden und gewürdigt werden. Üppigkeit und Lebensfreude des Barock
zeichnen die Ottobenrer Orgeln Riepps aus. Deutlich lassen sich die Unterschiede
etwa zu der klassischen, bisweilen heroischen Bescheidenheit in den Dispositionen
der Orgeln, wie sie die Straßburger Orgelbauer Silbermann bauten, erkennen.
Die Verbindung zwischen Riepp und den Callinet stellte der Orgelbaumeister Joseph
Rabiny (1732—1813) her, der nach dem Tod seines Onkels als Chef de la maison
Riepp de Dijon verantwortlich zeichnete. Bevor Rabiny mit der Orgelbauanstalt
endgültig nach Ruf ach ins Elsaß übersiedelte — das war bemerkenswerterweise im
Jahre 1787 nach dem Tod des letzten Silbermann in Straßburg —, übernahm er den
Auftrag, für die Klosterkirche der Benediktinerabtei Schuttern eine neue Orgel zu
erstellen, einen Auftrag, den er gegen die Konkurrenz des hervorragenden J. A. Silbermann
errang. Am Beispiel dieser 1777 bis 1779 entstandenen, 1855 durch Brand
vernichteten Orgel von Schuttern zeigt Meyer-Siat treffend den Stilzusammenhang
der Orgeln von Riepp, Rabiny und Callinet („im exemplaire extraordinairement
typique de la facture Riepp-Rabiny-Callinet") auf. Der Orgel von Schuttern kommt
tatsächlich zentrale Bedeutung in den Zusammenhängen zu: Rabiny überließ die
Ausführung hauptsächlich seinem Mitarbeiter Louis Weber, einem schon vom alten
Riepp hochgeschätzten Meister, und beschränkte sich wegen anderer Aufträge in
Frankreich auf eine Mitwirkung bei der Harmonisation der Orgelregister. Weil die
Callinet in ihren Arbeiten der Orgel von Schuttern nachstrebten, darf das dortige
Werk von Rabiny und Weber als Prototyp für die Callinetorgeln gelten.

In ausführlichen Anmerkungen setzt sich Meyer-Siat mit der Literatur über verschiedene
dem Orgelbaumeister Rabiny zugeschriebene Orgeln unseres Bereichs
auseinander. Er vermerkt unter anderem kritisch, daß die um die Jahrhundertwende
aus Gengenbach erworbene Barockorgel des Freiburger Augustinermuseums unmöglich
ein Werk Rabinys sein könne, wenn das Orgelgehäuse, gemäß den Angaben des
Museums, in die Zeit um 1730 zu datieren sei. Die Möglichkeit, daß Rabinv an der
Gengenbacher Orgel Reparatur- oder Pflegearbeiten durchgeführt hat, wollte Meyer-
Siat jedoch nicht ausschließen. Die Überlegungen über die im Augustinermuseum
aufgestellte Orgel wären eigentlich ein Anlaß, einmal der Geschichte des Instrumen-

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