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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1966-67/0248
„Grenadierlied"15 diese alle hochdeutsch und schließlich das schon genannte
alemannische „Der Storch"16.

Spricht man vom Vergleichen von Hebelgedichten, so darf eines als sicher
gelten: Was Hebel an hochdeutschen Gedichten geschrieben hat, ist fast durchweg
schwächer in der Erfindung, blasser im Ausdruck, herkömmlicher in
Bild- und Wortwahl als es der Leser der alemannischen Gedichte gewohnt ist;
fast durchweg, denn auch unter den wenigen hochdeutschen Gedichten gibt
es eines, das große Dichtung ist und den besten Schöpfungen selbst eines
Goethe nicht nachsteht: Das schöne und tröstliche „Neujahrslied" mit den Anfangszeilen
: „Mit der Freude zieht der Schmerz...". Von ähnlicher Ausgewogenheit
und Sinn fülle ist kein anderes hochdeutsches Gedicht Hebels. -
Jedenfalls sind die alemannischen Gedichte den meisten hochdeutschen gegenüber
alle von praller Fülle und Saftigkeit, voll unmittelbarer Empfindung,
und die vorgetragenen Gedankengänge gehen bruchlos im Wort- und Bildgut
auf. Anders als in seiner Prosa konnte sich Hebel in gebundener Form wahr
und vollkommen nur aussprechen, wenn er dazu die Mundart seiner Kindheit
benutzte. Diese Divergenz höchste Könnerschaft im mundartlichen Gedicht
einerseits, meist mühsames Reimen im hochdeutschen Gedicht zeigt sich
nun gerade bei der Gegenüberstellung unseres hochdeutschen Friedensliedes
mit dem alemannisch empfundenen und alemannisch geschriebenen Friedenslied
„Der Storch". Diese Divergenz ist hier, wo das gleiche Thema ansteht, so
stark, daß man eigentlich das hochdeutsche Lied Hebel nicht zuschreiben
möchte. Nur der stete Blick auf Hebels andere hochdeutsche Gelegenheitsgedichte
bewahrt davor, die Verfasserangabe auf unserem Blatt von vornherein
für eine Mystifikation zu halten.

Und das ist gut so. Denn bei aller Verschiedenheit der beiden Lieder zeigen
sich doch Parallelen, zeigen sich in beiden gemeinsame Ideen, Gedankenabläufe
und Vorstellungen, die nur jeweils verschiedene Gestalt annehmen.
Ein Beispiel: Die Strophe 14 unseres Liedes deckt sich dem Inhalt nach fast
ganz mit der 7. Strophe des „Storch". Dort heißt es:

Mer wüsse leider au dervo,

im menggi Wunde bluetet no,

im 's druckt no menge Chummer schwer,

un mengge schöne Trog isch leer . . .

Das hochdeutsche Friedenslied hebt den Gedankengang nur ins Pathetische
, Gebildete, während das alemannische nüchtern und bäurisch bleibt.
Einen dem Inhalt nach gleichen, aber jeweils völlig anders geäußerten Gedankengang
weisen auch einerseits Strophe sieben und acht des hochdeutschen
Liedes und andererseits die 16. Strophe im „Storch" auf. Im „Storch" schreibt
Hebel bildkräftig und aussagesicher:

Sust möcht s, gottlob, so zimli goh,
un 's Feldpickett isch iiiimme do;
Wo Lager gsi sinn, Zelt an Zelt,
goht jetz der Pflueg im Ackerfeld. . .

15 ZW I S. 275 f.

16 ZW I S. 140 ff.

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