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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1968/0116
mit Munition zu versehen. Die Unruhe in den Straßen und die Besorgnis für den
folgenden Tag ließen uns nicht schlafen.

Am 24. früh 8 Uhr begann beim Pfauenwirthshause, wo wir einmal mitsammen
gespeist haben, der Canonendonner und das Kleingewehrfeuer, und es entspann sich
auf der ganzen Westseite der Stadt ein heftiger Kampf. An meinem Hause hatten
die Freischaaren eine Canone aufgepflanzt, und auf den ersten Schuß aus derselben
zersprangen mir 16 Fensterscheiben. Meine Familie und die meines damaligen Mieth
manns Hofrath Dr. Buss45, habe ich in meinem gewölbten Keller in Sicherheit gebracht
, weil die Canonen- und Kartätschenkugeln wie Schneeflocken in der Stadt
herumflogen. Von jeder Sorte dieser Kugeln hat je eine den Weg auch in mein Haus
gefunden, jedoch ohne einen Schaden anzurichten. Vor und hinter meinem Haus
hatte eine Rotte von Freischaaren Posten genommen, und aus dem Hinterhalte
haben sie fortwährend auf das anrückende Militär geschossen. Um 11 Uhr endlich
war das Militär aller Barrikaden und Positionen Meister und rückte in Massen von
allen Seiten in die Stadt ein. Die Freischaaren wurden zersprengt und theilweise
gefangen, um bald nachher ungestraft wieder entlassen zu werden. Adolf rückte
unverletzt mit ein, aber an seiner Seite wurde ein Unteroffizier erschossen.

Bei dem Struve-Putsch sind wir mit dem bloßen Schrecken davon gekommen,
indem wir kaum 500 Mann Soldaten hier hatten, die lange nicht stark genug gewesen
wären, die Stadt zu schützen, und den in großen Massen anrückenden Feind zu
bekämpfen. Zum Glück rückten noch in Zeiten weitere Truppen ein und zogen den
Freischaaren bis Staufen — 4 Stunden von hier — entgegen, wo es zu dem entscheidenden
Gefechte kam. Mein Sohn war damals nicht dabei, dagegen hat er sich bei
Güntersthal und bei Freiburg ganz brav gehalten.

Ich komme nun zum 3. Akte, zur Revolution vom 13. Mai 1849. — Das Vereinswesen
hatte schon einige Zeit vorher eine solche Ausdehnung genommen, und die
staatsgefährlichen Tendenzen wurden so offen dargelegt, daß auch der Ungläubigste
sehen mußte, daß ein neuer Schlag nicht ausbleiben konnte. Die Verführungen
unserer Soldaten wurden ohne Scheu und ungestraft betrieben, und weil alle Achtung
vor dem Gesetze längst verschwunden, und jede Gewalt der Behörden gelähmt war,
so wurde alles geduldig hingenommen. Die Soldaten gehorchten ihren Offizieren
nicht mehr, und diese durften ihren Leuten nichts sagen, wenn sie sich nicht den
gröbsten Insulten aussetzen wollten.

Plötzlich wurde auf den 13. Mai eine Volksversammlung nach Offenburg angekündet
, und Jedermann sah hiebei irgend einem neuen Putsch entgegen, nur unsere
Regierung blieb untätig und ließ geschehen, was auch kommen mochte.

Weil meine Frau in Folge der beiden ersten Ereignisse schon den ganzen vorhergehenden
Winter leidend war und man nicht wissen konnte, was geschehen wird, so
schickte ich auf Andringen meiner Söhne meine Frau, meine 4 Töchter und meinen
14jährigen Sohn Theodor schon am 13. Mai morgens zur Eisenbahn nach Basel, von
wo ich sie nach 6 8 Tagen wieder abholen zu können glaubte. Das gleiche tat auch
mein Sohn Raimund mit seiner Frau und 3 kleinen Kindern. Überhaupt zogen vom
12. 14. Mai über 300 Personen von Freiburg nach Basel. Ich war nun beruhigt und
auf alles gefaßt, da ich meine Theuren in Sicherheit wußte; danach kam die Sache
schlimmer als ich sie erwartet hatte. Bekanntlich wurde schon am 13. Mai in Offenburg
ein Landes-Ausschuß eingesetzt, und noch an demselben Abend traf ein Bevollmächtigter
desselben hier ein, der sogleich unsern Regierungs-Direktor, Freiherrn
von Marschall46, seiner Stelle entsetzte. Wir waren noch 4 Regierungsräthe in unserm
Collegium, da 2 Stellen unbesetzt waren. Wir blieben permanent und thaten unsere
Pflicht als treue Anhänger des Großherzogs. Erst am 16. Mai, nachdem man uns in
der Person des Adv. von Rotteck47 (des talentlosesten und borniertesten unter den
Söhnen des bekannten, aber verstorbenen Geschichtschreibers v. Rotteck) zum Regie

45 Franz Joseph Büß (1803—1878) seit 1833 Prof. d. Rechts und Staatswissenschaften an der Uni
versität Freiburg.

46 Seit dem Tod des Geh. Reg. Rats v. Reck (1845) war die Stelle des Direktors der Regierung
des Oberrheinkreises mit dessen Neffen August Freih. Marschall von Bieberstein (4. 7. 1804
bis 18. 11. 1888) besetzt. Uber ihn vgl. Bad.

47 Carl von Rotteck, geb. 1812, 1838 Advokat in Freiburg, flüchtete 1849 ins Ausland, 1856 amnestiert
.

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