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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1968/0125
schaaren und die Offiziere wurden gefänglich in ein Haus abgeführt und dort bewacht
bis sie beeidigt seyn würden.

Alles dieses geschah am 18. Mai nachmittags, und während Adolf mit seinen Kameraden
gefangen saß, erschienen in meinem Hause 6 Soldaten, die den Auftrag
hatten, mich zu arretieren. Die gleiche Mafiregel war auch gegen meine 3 Collegen
angeordnet, aber alle waren fort, gleich mir. Nur der arme George wußte sich nicht
zu rathen, nicht zu helfen. Inzwischen war es dem Adolf gelungen, sich aus seiner
Haft zu befreien, er verbarg sich zu Haus, rasierte seinen Bart ab, warf sich in Frei-
schaaren-Kleider, und langte auf diese Weise am 19. glücklich bei uns in Basel an.
Zehn Tage später kam auch George noch zu uns, weil er zum 1. Aufgebot der Landwehr
gehörend, hätte ausmarschieren müssen, was er um keinen Preis gethan hätte.
Eine Magd allein blieb im Hause zurück und übernahm die Obsorge über dasselbe.

Unsere Lage in Basel war freilich sehr drückend, man sprach von Vermögenssequestrationen
bei denjenigen Beamten, die den Eid verweigert hatten, und nicht
weniger Sorge hatte man vor einer allgemeinen Plünderung durch die zu Tausenden
herbeigezogenen fremden Abentheurer, so wie vor einer sehr möglichen Beschießung
Freiburgs im Falle eines Vordringens von Bundestruppen. Jedermann flüchtete deshalb
seine bessere Habe in die Schweiz, um neben dem nackten Leben, wenigstens das
Allernothwendigste noch zu retten. So that auch ich und ließ meine ganze Habe mit
alleiniger Ausnahme der Meubles nach Basel kommen. In Basel fand sich nach und
nach eine ganze Colonie von Freiburgern, insbesondere viele badische Offiziere, die
sich flüchten mußten, wenn sie nicht meineidig werden wollten. Diese Offiziere zogen
aber schon in den ersten acht Taffen wieder fcW durch das Elsaß nach Mainz
Vu Frankfurt, wo sie sich zur Disposition des Reichsministeriums stellten. Unter
diesen war auch Adolf, er mußte aber, wie die Mehrzahl der andern auch, in Frankfurt
abwarten, bis unser Ländchen von den Preußen erobert war.

Tn Basel ist es theuer zu leben, und da die Gasthäuser mit Flüchtlingen angefüllt
waren, so durfte man froh sein, wenn man nur ein ruhiges Plätzchen fand.
Privatquartier auf Wochen oder Monate erhielt man nicht, und doch wollte man sich
auf längere Zeit nicht einmiethen, da man sich erhoffte, in 8 14 Tagen müsse Hülfe
kommen. So blieben auch wir zu 8 Personen im Wirthshause. In einem Zimmer schlief
ich mit George im anderen wohnte meine Frau mit 5 Kindern, die zusammen in vier
Betten schliefen. Wir lebten überhaupt sehr eingeschränkt, damit der Geldbeutel,
der nicht für eine längere Flucht gespickt war, ausreichen möge. In Basel als dem
nächsten Grenzort wollte und mußte ich bleiben, theils um immer den Stand der
Sache zu erfahren, theils um gleich wieder auf meinen Posten zurückkehren zu können
, sobald es thunlich wäre.

Unter wechselnden Hoffnungen, Befürchtungen und Sorgen — unter der Qual der
täglich eintreffenden 2maligen Hiobsnachrichten aus dem Badischen in der Furcht,
für immer von Versorgung und Brod vertrieben zu seyn, das Haus zerstört zu finden
, des bißchen Vermögens verlustig zu werden unter solchen wechselnden Gefühlen
brachten wir 9 lange traurige Wochen in einem Gasthofe in Basel zu!

In den letzten 10 Tagen dieser Zeit ging es uns gar schlimm. Alle Communication
mit Baden war unterbrochen, die Eisenbahn zerstört, und wir bekamen nur spärliche
, mündliche Nachrichten. Die niederschlagenste Nachricht war die, daß ein Corps
aus allen Nationen zusammengesetzt auf dem Rückzüge der Insurgenten in Freiburg
Posto gefaßt habe und entschlossen sei, sich aufs Äußerste zu vertheidigen. Audi
habe dieses Corps die Absicht, die Stadt zu plündern und dann anzuzünden. Dieses
war auch buchstäblich wahr, jedoch hat der Himmel auch da wieder gesorgt, und
auch von diesem Jammer uns glücklich befreit.

Eine voreilige Nachricht, daß die Preußen am 6. Juli in Freiburg einrücken würden
, besonders aber der Umstand, daß meine arme Frau seit 14 Tagen am Fieber
litt, veranlaßten mich, schon am 6. Juli auf der Elsässer Bahn über Colmar u. Breisach
nach Freiburg zu reisen, wo ich abends 10 Uhr anlangte, aber zu meinem Schrek-
ken noch keine Preußen fand. Dennoch war alles ruhig und ich kam ohne alle Störung
nach Haus. Die Freude des. Wiedersehens von Raimund, dessen Frau und
Kindern die als gewerbetreibende Bürgersleute wenigstens keine persönliche
Gefahr zu befürchten hatten, und deshalb schon am 20. Mai wieder heimgekehrt
waren — kannst Du Dir vorstellen, ohne daß ich's erzähle. Raimund sah sehr schlecht
aus, ich hatte Mühe, ihn zu erkennen, die Schreckenstage hatten ihn sehr angegriffen
.

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