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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1975/0067
gleichen Atemzug zugibt zu wissen, daß die Chinesen das Pulver gekannt und somit
- schon vor Berthold — erfunden hätten. Wer sich ohne Vorbehalte durch die
neuere Literatur arbeitet, stellt bei einigem Nachdenken fest, daß Berthold als historisch
betrachtet werden muß, wenn es gelingt zu zeigen, was er entdeckt oder
erfunden hat. Diese Entdeckung muß aber eine ebenso tiefgreifende Wirkung auf
die weitere Entwicklung ausgeübt haben, wie die Arbeiten eines J. Watt, der als
Erfinder der Dampfmaschine betrachtet wird, weil er vorhandene Maschinen entscheidend
verbessert und somit zur Dampfmaschine im heutigen Sinne gemacht hat.
Eine solche wesentliche Entdeckung Bertholds kann infolgedessen zeitlich auch nach
der ersten Erfindung des Pulvers oder früher Waffentypen gelegen haben. Kennen
wir aber das Wesen seiner Erfindung, wissen wir, wo diese Erfindung ihre erste
technische Anwendung fand, dann muß eine sichere zeitliche Einordnung ebenso
möglich sein, wie damit auch der Beweis für seine Historizität erbracht ist.

Eine andere Frage ist es, ob es auch gelingt, den Lebensort Bertholds räumlich zu
bestimmen. Sie hängt eng mit der Frage zusammen, weshalb es keine zeitgenössischen
Berichte oder Erwähnungen über ihn gibt. Wir werden später sehen, daß diese
Frage nach seinem Lebensort nicht klärbar ist, obwohl der Zürcher Domherr Felix
Hemmerlin um 1450 über ihn gesagt hat, er sei ein „allgemein bekannter, feiner
Alchymist" gewesen. Es würde den Rahmen dieses kurzgefaßten Beitrags sprengen,
wollte man versuchen, eine ausführliche Diskussion über das Thema „Berthold"
anzustellen. So seien im folgenden die wesentlichen Ergebnisse angeführt, die in
mehrjähriger Arbeit zustandegekommen sind, und jetzt eine klare, zwanglose Gliederung
aller Fakten zulassen, die bislang so voller Widersprüche gesteckt haben. In
chronologischer Folge soll der Ablauf der „Pulvererfindung" dargestellt werden,
wie er sich jetzt ausweist, und welche neuen Perspektiven er im Hinblick auf eine
bislang oft falsch aufgefaßte Bedeutung der alchemistischen Epoche zeigt, in deren
Brennpunkt plötzlich die Figur des Berthold gerückt ist.

Naturwissenschaftliche Erkenntnis wird nicht gewonnen durch empirisches Vorantasten
am Experiment. Sinnvolle Experimente können nur erdacht werden, wenn
eine theoretische Vorstellung über einen Sachverhalt besteht, dessen Richtigkeit
bewiesen oder widerlegt werden soll. Dazu benutzt der forschende Mensch ein gedankliches
Modell, das seiner logischen Phantasie entstammt. Die Richtigkeit einer
solchen Modellvorstellung kann dann durch das Experiment überprüft werden.
Umgekehrt aber können beobachtete Sachverhalte zu hypothetischen Vorstellungen
führen, die aufgrund von Beobachtungs- und Denkfehlern zustandegekommen
sind. Ist sich der Mensch aber ihrer ursprünglich hypothetischen Natur nicht oder
nicht mehr bewußt, kann eine fehlerhafte Hypothese die Auffindung neuer Tatbestände
verhindern.

Ein solcher Vorgang hat im Falle der Pulvererfindung existiert. Er hat über ein
Jahrhundert lang die Erfindung des eigentlichen Geschützes verhindert und deshalb
bei den Bearbeitern der Materie im vergangenen Jahrhundert eine heillose
Verwirrung gestiftet. Berthold war es, dem es gelang, die dogmatisch existierende
geistige Barriere zu durchbrechen. Und dies nur, weil es nicht in seiner
ursprünglichen Absicht gelegen hatte, Pulver oder gar Geschütz zu erfinden. Ihm
lag vielmehr daran, die Elementenlehre des Aristoteles zu verifizieren oder zu

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