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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1975/0082
gebend, die zusammen mit orientalischem Gedankengut zur Transmutationschemie
führt, der ja noch Berthold anhängt. Leute, die viel publizieren, werden oft als Repräsentanten
einer Zeit angesehen, die sie nicht sind. Man schreibt Raimundus
400-500 Schriften zu, die meist Schülerarbeiten, oder umstritten sind. Auf den weniger
als 40 Seiten des ursprünglichen Teils des - später erweiterten - Feuerwerkbuches
steht mehr an praktischem chemischem Wissen, als in vielen alchemistischen
Folianten. Neben den Transmutationschemikern hat es stets Männer gegeben, die
in ungebrochener Tradition die von Raimundus geforderte Alchymia practica getrieben
und entwickelt haben. Sie waren keine Wissenschaftler, sondern praktisch
ausgerichtet, wir würden heute vielleicht von Zweckforschung reden. Ihre uns verbliebene
Literatur ist von geringem Umfang, aber klar, sachlich, lehrbuchartig oder
enzyklopädisch.

Hier haben wir die vorgnostische Historia naturalis (27 Bücher) des jüngeren
Plinius (23-79 n. Chr.), die aus dem 3. Jahrhundert stammenden thebanischen
Papyri Holmiensis und Leydensis, deren Texte später teils wörtlich in den Com-
positiones von Lucca auftauchen. Sie sind frei von arabischen Einflüssen und jeglicher
Hermetik. Im Römischen deutschen Reich beginnt chemische Tätigkeit unter
dem älteren Strabo und Waldo von Reichenau. Um 821/22 entsteht die Mappae
clavicula, von der sich Teile in Schlettstadt befinden. Aber auch die Araber besaßen
um jene Zeit praktische Alchymisten, wie G'afar Alsadiq u. a. Eines der Zentren
war Süditalien, wo um 1300 das hydor is-chyron, die Salpetersäure hergestellt wird.
Der Pharmazeutenberuf, der sich von dort um jene Zeit auszubreiten scheint, bringt
viel arabisches, praktisches Wissen mit, auch Verfahrenskenntnisse. Er breitet sich
zwischen 1300 und 1400 in Europa aus, zeitlich also etwas früher als die Feuerwerker
(Büchsenmeister). Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß frühe wandernde
Pharmazeuten die Kenntnis des Salpeters und des Pulvers, das Baco und Albertus
beschreiben, mitgebracht haben, zumal sie damals gleichzeitig Drogenhändler gewesen
sind.

Wandte sich der Pharmazeut und Heilmittelbereiter naturgemäß mehr den organischen
Naturstoffen zu, so repräsentiert der Pyrotechniker den Urtypus des anorganischen
Chemikers. Hier liegen zwei ungebrochene Traditionslinien vor, die
von der praktischen mittelalterlichen Chemie direkt weiterführen in die paracelsi-
sche Epoche. Im 15. Jahrhundert ist noch eine wesentliche Entdeckung gemacht
worden: Die Konversion des Natursalpeters in das reine Kaliumnitrat mittels
Pottasche. Es ist bei Hassan al Rammah zwar angedeutet, aber nicht erkannt worden
. Auch über diese Verfahren, die erste Konversion, die plötzlich da ist, wurde
noch nicht gearbeitet.

So sehe ich die reine spekulative Alchemie nicht als Hauptstrang dieser Entwicklung
an. Sie ist sicher ein früher Versuch, eine theoretische Deutung der Vorgänge
zu finden, oder Hypothesen experimentell zu beweisen, aber sie verläuft noch getrennt
von der praktischen, der zweckgebundenen Chemie. Ihr letzter großer Vertreter
war nicht Raimundus, sondern Berthold. Seine ergebnislosen Versuche zur
Elementverwandlung mögen der Transmutationschemie den Todesstoß versetzt
haben. So scheint er mir der letzte aus der Reihe der bedeutenden Alchemisten gewesen
zu sein, der Mann, der seine Wissenschaft fugenlos eingliedert in die beste-

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