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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1977/0159
Die Antwort fällt nicht leicht, obwohl in Freiburg alle Hinweise
auf stärkere soziale Spannungen fehlen. So schrieb die Handelskammer
rückschauend über die Zeit von 1880 bis 1918 8:

„Die Irrlehren sozialistischer und kommunistischer Agitatoren
haben gleichfalls auch den Arbeiterstand vielfach verwirrt; glücklicherweise
hat dieses jedoch zu keinen gewaltsamen Störungen irgendeiner
Art geführt..

Wenn man dieser Quelle glauben darf, so hat es in Freiburg damals
also zumindest keine offene Konfrontation um soziale Konfliktstoffe
gegeben. Das ist nun freilich auch nicht sonderlich überraschend
, denn die Verschlechterung der Verteilungssituation
braucht keineswegs zu einer Verschlechterung der persönlichen
Einkommensverhältnisse in den Unterschichten zu führen. Im Gegenteil
! Ein kleines Stück von einem großen Kuchen macht vielleicht
besser satt als eine große Scheibe von einem kleinen. Die
Freiburger Steuerzahler, die zwischen 900 und 3000 Mk verdienten
, litten vermutlich nicht unter einer tatsächlichen
Verschlechterung ihrer Realeinkommen, denn diese dürften
schlimmstenfalls stagniert haben, vermutlich aber gestiegen sein.
Man konnte also in dieser Gruppe durchaus das Gefühl haben: „Es
geht uns immer besser." Die „sozialistischen Agitatoren" mochten
sich schwertun, ihre Zuhörer vom Gegenteil zu überzeugen, denn
die Verschlechterung der regionalen Einkommensverteilung ist ja
eben keineswegs identisch mit einer Verschlechterung der persönlichen
Einkommen. Versteht man den Begriff der „Verelendung"
in diesem letzteren Sinne, dann muß man seine Anwendung auf
Freiburg ohne Zweifel ablehnen. Es gibt keine Anzeichen dafür,
daß die Armen ärmer geworden sind.

Sind wir über den zeitlichen Ablauf der regionalen Einkommensverteilung
auf Mutmaßungen angewiesen, so können wir unzweifelhaft
feststellen, daß in einem bestimmten Augenblick, wenige
Jahre vor dem Ersten Weltkrieg, die Einkommen in Freiburg
ungleichmäßiger und, wenn man will, ungerechter verteilt waren
als in den meisten anderen Städten Badens; in diesem Sinne würde
man wohl die Situation in Mannheim als die relativ beste ansehen.
Es bleibt nun zu fragen, warum das in Freiburg so war, warum dort
mehr Leute weniger verdienten als anderswo. Die Frage muß unbeantwortet
bleiben, denn alle Versuche bleiben ergebnislos. Sieht
man die Schuld in der Struktur der „Rentner- und Fremdenstadt",
so wird man sofort durch das Beispiel Heidelbergs widerlegt, das

Soziale Spannungenf

Einkommen und
Wirtschaftsstruk tur

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