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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0034
sen. Das Klosterleben wird als ungöttlich, der Zölibat der Geistlichen als unchristlich
abgelehnt. Die Kumulierung der Pfründen wird verurteilt. Geistliche Erbschleicher
sollen verbrannt werden. Die unehelichen Pfaffenkinder sollen als Söhne
des Antichrist nach der Geburt ausgesetzt werden. Die Messe soll in deutscher
Sprache zelebriert werden. Wo bleibt der Gnadenvorzug der Christen, wenn Heiden
, Juden und Christen, falls gleiche Umstände vorliegen, zur Seligkeit oder zur
Verdammnis berufen werden? Leugnet der Verfasser das Geheimnis der Trans-
substantiation, wenn er die Worte der Wandlung „dies ist mein Leib (lip)" aus der
Liebe des Erlösers herleitet? Stiftungen für die Kirche sollen widerrufen werden.
Der Verfasser zögert nicht, den unwürdigen Papst mit dem Teufel zu vergleichen.
Unter den Sakramenten wird dem der Ehe der Vorzug gegeben. Dieses Sakrament
spendet nicht der Priester, sondern die Brautleute sich selber. Der Bund frommer
Eheleute kann die Wende zum Guten herbeiführen.

Die Kritik des Verfassers richtet sich auch gegen die Obrigkeit. Sie hat versäumt,
die fünf rufenden Sünden: Ehebruch, Gotteslästerung, Wucher, Totschlag und
Kirchenraub zu bestrafen. Härteste Strafen, wie sie die Phantasie des Mittelalters
ausdachte, sollen angewendet werden. Man soll nach des Verfassers Meinung die
Übeltäter hängen, steinigen, verhungern lassen, schinden, verbrennen und ihnen
die Zunge ausreißen. In der Abwendung von Gott liegt die Wurzel allen Übels.
Zu ihr haben die herrschenden Stände beigetragen. Wucherer, Frauenschänder und
Gotteslästerer werden zu Edelleuten erhoben. Der arme Mann wird dagegen verbrannt
, beraubt, gestockt und gepfändet. Die Fürsten nehmen dem Bauern Roß,
Ochsen, Krug und Pflug. Es ist Diebstahl, wenn der Arme das durch blutigen
Schweiß Erworbene hergeben muß. Die Leibeigenschaft soll abgeschafft, aber auch
das Zinsnehmen verboten werden. Der gemeine Nutzen soll das gesellschaftliche
Handeln bestimmen. Zwar lehnt der Verfasser die bäuerliche Bewegung, die
1476 Hans Böheim im Taubertal ins Leben rief, ab, doch spricht er Gedanken
aus, die sich die gleichzeitige und bevorstehende Bundschuhbewegung zu eigen
gemacht haben. Diese Gedanken haben dem unbekannten Verfasser den Titel des
„oberrheinischen Revolutionärs" [i. flgd. OR] verschafft.

Der Verfasser scheint eine Reihe von Jahren an seiner Niederschrift gearbeitet
zu haben. Sie schließt im 68. Kapitel mit einem finalen Amen ab, um später fortgeführt
und durch die 40 Statuten ergänzt zu werden. Mit den Jahren trat eine
Radikalisierung der Gesinnung des Autors ein. Hatte er zunächst Maximilian als
den mille maximus, als einen Übermenschen, begrüßt, so wendet sich nach dem
Vertrag von Cambrai, durch den sich Kaiser, Papst und der französische König
zum Krieg gegen Venedig verbündeten (1508), des Autors Groll gegen die drei
unreinen Wesen. Durch das Vorgehen gegen Venedig haben sie die Abwehrkraft
gegen den Erzfeind des christlichen Europa, den Türken, geschwächt. Falls der
Kaiser das Recht nicht bestellt, wird der gemeine Mann nun gedrungen, ihn umzubringen
. Der gemeine Mann im Schwarzwald wird den Flegel hinlegen und die
eiserne Rute in die Hand nehmen. Der arme Mann wird sich bedenken und einen
seinsgleichen aufwerfen, der die Schinderei der Geistlichen abstellt. Die Prognosen
des Verfassers über die Zukunft seines Landes sind widersprüchlich. Als Endkaiser
wird Friedenrich aus dem Schwarzwald erscheinen. Der Bund frommer Eheleute,

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