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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0037
der gemein nutz by sim alten herkommen handhaben, dardurch frid in allen landen
entstund und damit das recht gehanthaben. Zwar hatten in Freiburg die
Reichsstände Beratungen über Sachen des gemein Pfennigs, Frid, Rechtshandhaben
gewünscht, doch ist die Schrift des OR kaum als brauchbarer Beitrag zur Festigung
des Reichs- und Rechtsfriedens zu verstehen.

Die Schrift des OR's ist wirr, konfus, weitschweifend, widerspruchsvoll. Der
Autor ist belesen, aber unkritisch gegenüber seinen Quellen, seine Geschichtsklitterung
im Stil der mittelalterlichen Chroniken ist willkürlich und grenzt mitunter
an Narrheit, die geschichtlichen Abläufe werden eingezwängt in das Prokrustesbett
der Chiliaden, die wiederum durch die astrologische Gläubigkeit des Autors
bedingt sind. Die 100 Kapitel und 40 Statuten wirken wie das Lesekompendium
eines lesehungrigen Halbgebildeten. Seine Lesefreudigkeit erinnert an die des Don
Quichote, der aus phantastischen Ritterromanen seine ritterliche Mission herzuleiten
suchte. Ein bedeutender Humanist und Jurist, wie Stünzel es war, kann sich
nicht einer derartigen wirren Schreibweise bedient haben.

Wenn auch die „vorrevolutionären" Gedankengänge des Autors sich einer marxistischen
Deutung darbieten, so war der Autor selbst von der Vorstellung, daß
Gesinnungen und Vorstellungen den Uberbau wirtschaftlicher Gegebenheiten darstellen
, weit entfernt. Als ein Moralist beklagte er den Verfall der Sitten, verlangt
Abstellung der rufenden Sünden, die an die himmelschreienden Sünden erinnern,
durch eine Besserung des sittlichen Verhaltens will er die Ungerechtigkeiten der
wirtschaftlichen Verhältnisse abstellen. Als ein „Antimarxist" (wenn es dies damals
schon gegeben hätte) will er durch sittliche Erneuerung die Welt verbessern. Der gemeine
Nutzen, der das wirtschaftliche Handeln bestimmen soll, bleibt ein unklares
und verschwommenes Postulat.

Stünzel war ein eifriger und erfolgreicher Verwalter und Mehrer seiner im
Breisgau und im Elsaß gelegenen Güter. Es ist möglich, daß er - entgegen seinem
handfesten Eigeninteresse -, die Aufhebung der Leibeigenschaft als wünschenswert
ansah, aber der Aufstand des gemeinen Mannes, die Bestrebungen des Bundschuh
, die sich mancherorts ankündigten, müssen ihm, den Guts- und Grundbesitzer
, als ein Greuel erschienen sein, der seine und seiner Familie Existenzgrundlage
bedrohte. Oder wollte er als ein oberrheinischer Tolstoi verstanden werden, der
als Gutsherr auf den Untergang seines Standes um der vermeintlichen Gerechtigkeit
willen bedacht war?

Nicht die Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern das metanoeite,
das Insichgehen, liegt dem OR am meisten am Herzen. Die Beseitigung der Übel
kann nur durch die Abstellung der Sünden erfolgen. Diese Meinung des Autors
wird deutlich in seinem Bericht über seine Intervention auf dem Reichstag zu
Worms:13

Desglichen han ich zu Wurms in der samlung aller fursten vnd des richs botten
gebetten, mir zu gunnen, die stummen stund abzustellen. So will ich der K, M. altag
tusend rintschi gülden in die kammern lifieren vnd wel das mit gottlichen geschrib-
nen rechten thon vnd beger nut weders dan platz oder ein wonnig, do ich die vber-
tretter noch hinberuffen, darzü vberhand für gewalt. Vnd gab die meinung, wie
es muglich wer, herr Berchtolden, einem ertzbischoff, verzeichnet. Der gab mir ein

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