Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0038
geschrift an den lantvogt. Der ließ mich zum fünften mol gon Einsen kumen, sun-
der etlich abscheid ston. Doch zulest lies ich ab mit mym nochreysen, wenn ich sach,
das kein gewaltiger genigt wer, den rechten weg (zu gehen).

Die Abstellung der Sünden, nicht die Kräftigung des Reiches durch die Schaffung
eines Reichsregiments war das Anliegen, das er dem Kanzler Berthold von
Henneberg vortrug. Dieser verwies ihn in demütigender Weise an den österreichischen
Landvogt in Ensisheim. Die zitierte Stelle zeigt jedoch auch, daß Stünzel
nicht der Autor der anonymen Schrift gewesen sein kann. Der Hofkanzler des Königs
kann sich nicht dem Kurerzkanzler, dem er die Aushändigung des Reichssiegels
verweigert hatte,14 als Bittsteller genähert haben. Hofkanzler und Kurerzkanzler
standen auf gleichem Fuß.

Der Kurerzkanzler kann auch nicht den Hofkanzler an den ihm unterstellten
Landvogt von Ensisheim verwiesen haben. Stünzel war selbst vor seiner Berufung
zum Hofkanzler Rat und Kanzler des Ensisheimer Hofgerichts gewesen und bedurfte
in Ensisheim keiner Einführung. Mit dem Ensisheimer Landvogt Caspar
von Mörsburg und Beifort war Stünzel jahrelang befreundet und hat zahlreiche
Grundstücksgeschäfte gemeinsam mit ihm getätigt. Niemals hätte der Hofkanzler
fünfmal einen demütigenden Canossagang nach Ensisheim angetreten, um die Abstellung
der Sünden zu verlangen. Die zitierte Textstelle genügt für den Nachweis
, daß Stünzel als Verfasser der Schrift nicht in Frage kommt.

Die Kritik, die der OR am Kanzler übt, übersteigt das Toleranzmaß ironischer
Selbstkritik:15

»Man macht jetzt Wucherer, frowenschender, gotzlesterer zu edelleuten. Der
keisser nimpt gelt und spricht: bis edel. Der cantzler gipt im ein brieff und gebutt,
wer demselbigen undeglichen menschen nit für ein edelman erkent, der soll funft-
zig marg goltz dem keisser verfallen sein. Der ist dan herter dem armen man dan
ein geborner man. Sollte der Kanzler Stünzel, dem Unbestechlichkeit nachgerühmt
wird, geschrieben haben, daß die Fürsten ihren Kanzlern nicht zuviel trauen sollen
, sie sollten sie mit Rohr schreiben lassen und nicht mit goldnen Federn? Allerdings
dürfte Stünzel mit dem Wunsch des OR übereingestimmt haben: Ein keisser
sol auch ein canzler han, der probiert ist, gutes lumdag, elich und uff rechtlich, aller
Welt glich geneiget sein.16

Meinungsverschiedenheiten über die Frage des Reichsregiments haben zwischen
Maximilian und Stünzel bestanden. Sie können zum Ausscheiden Stünzels aus
dem Kanzleramt beigetragen haben, das auf Stünzels eigenen Wunsch in Ehren
erfolgte. Aber es ist unwahrscheinlich, daß der Mann, dem auch nach dem Ausscheiden
bis zu seiner Erkrankung 1504 wichtige Aufgaben übertragen blieben,
seine frühere Bewunderung Maximilians derart in Haßgefühle verkehrt hat, daß
er ihn nach dem Frieden von Cambrai als eines der drei unreinen Wesen bezeichnete
.

Stünzel müßte sich selbst überlebt haben, wenn er der Autor der anonymen
Schrift gewesen wäre. Am 2. 3. 1509 ist Stünzel verstorben, das göttliche Strafgericht
, das der OR für 1509 angekündigt hatte, hat er an späteren. Stellen seines
Buches auf 1511, später auf 1515 verschoben. Der Autor muß somit das Jahr 1510

36


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0038