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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0094
christlichen Fürsten nahegelegt. Beispielsweise hätte Papst Sylvester dem Kaiser
Konstantin oder der hl. Ambrosius dem Kaiser Theodosius dies empfohlen. Aber
gerade dieses Argument der hergebrachten Handhabung sollte sich als die verwundbarste
Stelle in dem ausbalancierten Denkgebäude des Thomas von Aquin
erweisen. Von Duns Scotus wurde es in seinem Oxforder Kommentar zu den Sentenzen
des Peter Lombard systematisch umgestoßen. Das Werk des Scotus war
aber wiederum die Grundlage für die Ansichten des Gabriel Biel. Für beide lag die
Macht in einer hierarchischen Folge von Autoritäten, bei der über dem Kurator der
Prokonsul, über dem Prokonsul der Kaiser und über dem Kaiser Gott standen. Die
von einem rangniedrigen Glied dieser Ordnung Beherrschten hatten infolgedessen
eine höhere Verpflichtung, den übergeordneten Autoritäten zu gehorchen. Gottes
Wille löste so alle anderen Verpflichtungen auf. Die Vormundschaft über Kinder
stehe dem Fürsten zu. Sie verleihe ihm das Recht zum Einschreiten, wenn den Kindern
von den Eltern körperlicher Schaden zugefügt werde. Mit noch größerem
Nachdruck sei diese anzuwenden, wenn es gelte den Seelentod des Kindes zu verhindern
. Die Taufe solcher Kinder müsse daher als rechtsgültig angesehen werden,
da der Glaube der Kirche für sie zureichend sei. Nur Wasser, ordnungsgemäße Zeremonie
, die Absicht des Priesters und der Glaube der Kirche seien erforderlich.
Das Argument, die Taufe von Kindern gegen den Willen der Eltern lasse sich nur
auf Kinder von Christen anwenden, da diese von vornherein de facto der Kirche
angehörten, wurde zurückgewiesen mit der Begründung, alle Menschen seien der
Kirche Untertan und infolgedessen zur Taufe aufgerufen. Ungläubige Eltern hätten
gewiß keine größeren Rechte, als nachlässige christliche Eltern, welche verpflichtet
seien, ihre Kinder taufen zu lassen. Biel drückt ferner seine Ubereinstimmung
mit den Ansichten des Scotus aus, die auf die Zustimmung zur Zwangstaufe
von jüdischen Kindern hinausliefen. Als weiteren Beweis fügte er Augustins berühmten
Kommentar über das Gleichnis vom Gastmal nach Lukas 14,23 hinzu:
„Geht hinaus auf die Straßen und Plätze und heißt die Leute hereinkommen, auf
daß mein Haus voll werde." Die Kirche habe bis dahin einen generellen Zwang
gegenüber Ungläubigen vermieden, damit der Friede nicht gestört werde und kein
Aufruhr entstehe. Das von Thomas vorgebrachte Argument, Sylvester und Ambrosius
hätten die Zwangstaufe sicher empfohlen, wenn sie erlaubt gewesen sei,
wird als fälschliches Gleichsetzen der vorübergehenden Taktik einer religiösen
Minderheit mit der dauernden Politik einer erfolgreichen militanten Kirche dargestellt
: „Denn in den Tagen Sylvesters gab es wenig Christen. Und in der Zeit des
seligen Ambrosius gab es viele arianische Häretiker. Aus diesen Gründen konnte
der allgemeine Zwang nicht ausgeübt werden. Alles muß nun in zeitgemäßer Weise
ausgeführt werden."43

Zasius bediente sich nun zwar der Argumente Biels, doch nahm er dessen Lehre
von der Zulässigkeit der Zwangstaufe nie ausdrücklich an. In seiner hier zu behandelnden
Schrift betonte er vielmehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit die weiterbestehende
Gültigkeit jener Bestimmung des 4. Konzils von Toledo, welche die
Zwangstaufe der Juden untersagte, obwohl er deren Anwendbarkeit für Kinder
verneinte.44 Die Einbeziehung der von Northofer vertretenen Ansichten, welche
die Meinungen des Scotus bekräftigen, läßt sich bei Zasius aus seiner Stellung zur

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