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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0097
handeln. Es sei jedoch festgehalten, daß es unter den Anhängern Reuchlins auch
viele gab, die hinsichtlich der generellen Stellung der Juden Zasius, ja sogar Nort-
hofer, zugestimmt hätten. Die Kölner Dominikaner, Wächter der Lehre vom Naturgesetz
des hl. Thomas, führten den Angriff auf den Talmud und gegen die Anwesenheit
von Juden in Deutschland. Vorreiter war der Konvertit Pfefferkorn.
Die neuere Forschung hat gezeigt, daß es sich bei diesen Vorgängen im wesentlichen
nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Humanismus und Scholastik handelte
. Weitere Studien werden vermutlich erweisen, daß der Antisemitismus oder
Antijudaismus kein unterscheidender Faktor für beide Parteien war. Denn diese
waren heftig bestrebt, ihren Widerwillen gegen die Juden zu bezeigen. Ihre Wertschätzung
jüdischer Gelehrsamkeit schloß keinesfalls eine Liebe für irgendeine jüdische
Gemeinde mit ein. Nur Reuchlin selbst hat die Bürgerrechte der deutschen
Juden gegen Pfefferkorn verteidigt. Andrerseits wurde der hier nur gestreifte Konflikt
von vielen als ein persönlicher Angriff auf Reuchlin verstanden. Und dieser
persönliche Aspekt zog viele Humanisten in diese Auseinandersetzungen hinein,
die Juden sehr kühl gegenüberstanden, vornehmlich Erasmus. Zasius erscheint in
den Dunkelmännerbriefen nicht als Anhänger Reuchlins - und er war es zeitlebens
nicht - aber als streibarer Antidominikaner.54

Es konnte im Vorstehenden gezeigt werden, daß Zasius eine große Menge von
Texten für beide möglichen Haltungen in der Frage der Taufe von Juden gesammelt
hat. Er ist mit diesen frisch und unabhängig umgegangen. Obwohl ein großer
Teil seiner Argumentation ihm von Scotus und Biel bereitgestellt worden war,
folgte er ihnen nicht bis zu dem Punkt, an dem es um die generelle zwangsweise
Taufe aller lebenden Juden ging. Es scheint, als habe er gefühlt, daß die allein auf
Zwang beruhende Taufe unzulässig sei. Auch anderen Argumenten, die nicht in
sein Bild von der christlichen Gesellschaft paßten, schloß er sich nicht an, wie beispielsweise
dem Argument von der Knechtschaft Harns. Indem er die ganze Fülle
der zu diesen Problemen geäußerten Meinungen aus der Philosophie, der Theologie
, dem kanonischen Recht, dem römischen Recht und der logischen Methode heranzog
, wirkte er in dieser Hinsicht wie Biel als „Ernteeinbringer". Er bewegte den
von Biel begonnenen Ernteprozeß sogar insofern noch einen Schritt weiter, weil er
die oft undurchdringliche Prosa Biels in die humanistische Sprache der Zeit übersetzte
. Der Umstand, daß die Früchte, die er einbrachte, nicht nach jedermanns
Geschmack sind, sollten Veranlassung geben, die sozialen Vorstellungen der humanistischen
Zirkel eingehender zu betrachten. Antijüdische Ansichten als einen
mehr zufälligen häßlichen Flecken in einer im übrigen toleranten Weltanschauung
zu sehen, wie man es im Falle des Erasmus zu tun versucht, heißt die Art von
Welt, wie sie die Humanisten des Nordens zu errichten beabsichtigten, mißverstehen
: Die Saat Israels hatte keinen Platz darin. Antijudaismus war leider ein wesentlicher
Teil ihrer „christlichen" Gesellschaft.

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