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mißhandelte Lehrer mit den Worten abgefertigt wurde: „Du bist der Gescheu-
tere". Übrigens hatte er seine wenn auch geringen Kenntnisse auf dem Klavier lediglich
mir zu verdanken. Nur ein Jahr lang erhielt ich im Alter von 17 Jahren
von einem tüchtigen Meister Unterricht im Klavierspiel sowie in der Harmonielehre
. Damals versuchte ich mich in kleinen Tondichtungen. Auch die beiden jüngsten
Geschwister waren meine Klavierschüler.
Unser Übermut war groß:

Wenn wir Hausarrest hatten, legten wir eine mit Unrat gefüllte Tüte, sorgfältig
nach Kaufmannsart geschlossen, auf die Straße und lauerten hinter dem Fenster
auf den Finder, der die Tüte neugierig aufhob, öffnete und entrüstet wegwarf.

Einmal hieß es, die altjüngferliche Tante Marie sei vom Vater ertappt worden,
wie sie bei seinem Besuche ihren Liebhaber und späteren Mann, den Geiger Anton
Pleiner, in einem Schrank verborgen habe. Auf diese Mär zogen wir im Gänse
marsch in dem von uns allein bewohnten Hause der Pfaffengasse umher und sangen
mit Begleitung der Flöte und Geige sowie von Schlägen auf Kuchenbleche und
dergleichen das damals häufig gehörte Lied aus dem Lustspiel „der lange Israel"
von Roderich Benedix [1811-1873] nach der Melodie des Mantelliedes:

Schier dreißig Jahre bist Du alt

Und denkst noch an das Frei'n,

Geh lieber in ein Kloster

Und bet ein Paternoster,

Das wird Dir besser sein.
Manchmal banden wir Kirschen in kleine „Büschele", wie sie auf dem Markt zu
sehen waren; Wilhelm, der damals frechste von uns, verkaufte sie, auf einem umgestürzten
Korb ausgelegt, hinter dem Garten am Rempart, jetzt Ringstraße, das
Stück zu einem Kreuzer. Die einzige regelmäßige Einnahme der fünf ältesten Buben
war das Wochengeld der Großmutter; nach dem Alter erhielten am Sonntag
jeder der zwei Großen einen Sechser, ich einen Groschen und die zwei Jüngsten je
einen Kreuzer. Es kam nun nicht selten vor, daß der Erstgeborene das Wochengeld
für alle erhob und für sich verbrauchte. Unsere Beschwerden fruchteten nicht viel.

Weihnachten

Das „Christkindle" bekamen wir von der Großmutter in Freiburg, solange sie
im eigenen Hause wohnte. In Erwartung der schönen Sachen wanderten wir mit
den Eltern zu ihr und warteten im Nebenzimmer. Beim Ertönen der Klingel ging
es, die Kleinsten voraus, zum lichterfunkelnden Christbaum. Einfacher waren damals
die Geschenke als heute: auf den Tellern lagen hauptsächlich Äpfel, Nüsse
und Lebkuchen. Die größte Freude hatte ich an einer Ziehharmonika, das nächste
Jahr an „Robinson Crusoe" und im dritten Jahr an Schlittschuhen. Wir fühlten
uns gewiß glücklicher als jenes moderne Kind, das auf meine Frage, was es sich zu
Weihnachten wünsche, antwortete: „Ich weiß nicht was, ich habe ja schon alles".

Die Großmutter war immer freundlich gegen die Enkel. Sie schnupfte aus einer

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