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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0114
felabsatz, der in dem nebenan fließenden Bächlein munter davon schwamm. Zu
einer längst geplanten Wanderung in das Wiesental hatte ich endlich das Zehrgeld
beisammen. Doch mein linker Stiefel war durchgetreten. Ein heimlicher Tausch bei
den Brüdern, wie ich es zu ihrem Ärger gewohnt war, ging diesmal nicht an. Doch
fand sich Rat. Onkel Wilhelm Gerstner, Bruder der Mutter, Lehrer an der hiesigen
höheren Bürgerschule, sechs Fuß hoch, hatte mir ein Paar Stiefel geschenkt, die ihn
drückten. Auch mir waren sie etwas eng, ich zog den linken an, der nahezu eine
Handbreit länger war als mein Stiefel am rechten Fuß. Es sah närrisch aus, als ich
mit meinem Reisegefährten Otto Langer auszog; trotz seines Spottes eine herrliche
Fahrt.

Die elternlose Cousine Sofie Leußler, die in den 1840er Jahren bis nach des Vaters
Tod in unsere Familie aufgenommen war, wünschte, das Höllental und den
Titisee zu sehen. Julius, damals Apothekerlehrling, und ich fuhren mit ihr in
einem Einspänner - Julius war Kutscher - nach dem Gasthof „Zum Sternen" in
Höllsteig und schoben sie, da ihre Rückenschmerzen große Märsche nicht gestatteten
, auf einem zweirädrigen Metzgerkarren den Berg hinauf nach dem noch zwei
Stunden entfernten Titisee und ebenso zum „Sternen" zurück.

Was man einen guten Schüler nennt, war ich nicht; oft zerstreut und nicht
schlagfertig - die schriftlichen Arbeiten gelangen besser - bekam ich in Fleiß meistens
nur die zweite Note und da hieß es: „Du könntest, wenn Du wolltest." Am
meisten und am liebsten lernte ich bei den Professoren, die durch Wissen, Lehrgabe
und eingehende gerechte Behandlung der Schüler hervorragten. Mein Lieblingsdichter
wurde Goethe. Sitzen geblieben bin ich nie; von meinen Kameraden
getrennt und von ihnen über die Achsel angesehen zu werden, hätte ich für die
größte Schmach angesehen. Nur eine Nachprüfung in der Mathematik mußte
ich bestehen.

Als Schüler der obersten Klassen des Gymnasiums leitete ich einen kleineren
Männerchor von Mitschülern unter dem Namen „Harmonie". Heimlich ließen wir
uns Pfeifenköpfe mit einem Ritterwappen und den verbotenen deutschen Farben
schwarz-rot-gold bemalen. Diese Gesellschaft verschmolz sich mit einem Schülerverein
„Walhalla", und darin feierten wir am 18. Oktober die Völkerschlacht bei
Leipzig mit Rede und Gesang.

Mit 17 Jahren war ich stolz über die Aufnahme als Bassist in die Freiburger
„Liedertafel" und beseligt hörte ich in einer Probe den damals auf der Höhe seines
Ruhmes stehenden Felix Mendessohn-Bartholdy am Flügel phantasieren. In demselben
Jahre sang ich beim Sängerfest in Lahr mit Begeisterung im großen Chor:
„Was ist des Deutschen Vaterland?".

Und im Jahre 1856 war ich wieder dabei, als das erste elsässische Sängerfest in
Straßburg in deutschen Weisen gefeiert wurde. Nur bei dem einzigen französischen
Liede, dessen Kehrreim lautet: „Vive la France, la reine du monde!" schwiegen
wir Freiburger. Die Regierung in Paris hatte aus Furcht vor dem deutschen Geiste
im Elsaß den geplanten Vortrag des Liedes von Körner: „Du Schwert an meiner
Linken" verboten. Dies, die französischen Farben und die Begleitung des Festzuges
durch Nationalgardisten waren im Kreise der Sänger die einzigen Zeichen
einer französischen Stadt.

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