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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0119
hatte, in Turnerkleidung und das Gesicht mit Pulver geschwärzt. Bestürzt hieß ich
ihn schleunigst heimzugehen, denn es stünden im Kasernenhofe schon viele Gefangene
.

Das Revolutionsjahr 1849

Ernster wurde für unsere Familie das Jahr 1849. Wieviel Jammer und Elend
wäre dem Lande erspart worden, wenn Großherzog Leopold nach dem Vorbilde
des Königs von Württemberg kraftvoll und mutig unter sein aufgeregtes Volk getreten
wäre! So aber entfloh er in der Nacht [vom 13./14. Mai] mit wenigen Getreuen
weinend auf einer Kanonenlafette durch den Hardtwald über die Grenze.
Seine Regierungsmänner schwankten zwischen Schwäche und Härte. Im Jahre
1848 wurde den Beamten eingeschärft, bei Ausbruch von Unruhen auf ihren Posten
zu bleiben. Wer aber im Jahre 1849 danach handelte und mit den aufständischen
Gewalthabern der Not gehorchend verkehrte, wurde des Hochverrats angeklagt
. So ging es auch meinem Vater.

Nachdem der Bürgermeister Josef von Rotteck mit dem Ausbruche des Aufstandes
am 16. Mai das Weite gesucht und am 21. Mai sein Amt niedergelegt hatte,
wählte die Bürgerschaft am 31. Mai/1. Juni meinen Vater nahezu einstimmig -
mit 731 von 794 Stimmen - zu dessen Nachfolger.

Mit der Errichtung der „Volkswehr" wurden die Schüler der zwei obersten
Klassen des Gymnasiums in die Akademische Legion eingereiht. In blauen Uberhemden
und schwarzen Filzhüten fand der Drill auf dem Karlsplatze statt; geschossen
haben wir nie, weil wir keine Patronen bekamen. In dem Eckhaus am
Karlsplatz bei dem gotischen Brunnen wohnte Anna Strohmeier, Tochter des Professors
der Chirurgie und Direktor des Klinikums, eine schlanke Gestalt und blühend
, meine heimliche Liebe, die sie aber nicht geahnt, denn ich habe niemals mit
ihr gesprochen. Welche Wonne, wenn sie auf dem Balkon stand und wir präsentierten
das Gewehr! Sie verheiratete sich mit dem berühmten Chirurgen Friedrich
von Esmarch - Generalarzt der Armee 1870- [1823-1908] und starb früh.

Als der Befehl zum Abmarsch nach der Festung Rastatt eintraf, ließ der Vater
mich und Freund Rudolf Thiry [1831-1892] von einer Aushebungsbehörde im
Kaufhaus auf dem Münsterplatz wegen Kurzsichtigkeit für kriegsuntauglich erklären
. Im Zimmer Thirys saßen wir beide und hörten vom nahen Karlsplatz
zähneknirschend den Abzug der Kameraden - etwa 130 Studenten und Primaner -
mit klingendem Spiel. Einige Tage nachher legte ich auf den Tisch meines Dachzimmers
einen Zettel, worin ich den Eltern erklärte, daß ich mich zur Entkräftung
des Vorwurfs der Feigheit zu meinen Kameraden nach Rastatt begeben müsse,
und fuhr heimlich, im Besitze von 15 Gulden, mit denen ich das Schulgeld hätte
bezahlen sollen, nach Rastatt. Dort trieb ich mich ohne militärische Abzeichen mit
meinen Freunden umher und ging auch zum „Verles" auf den Marktplatz, man
beachtete mich aber nicht. Das ganze Gebaren kam mir verdächtig vor, von Ordnung
keine Spur; ein Unteroffizier, Konrad Heilig, Kommandant der Festungsartillerie
[1817-1849] mit neuen Majorsepauletten, der nach der Ubergabe der

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