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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0129
gemeiner Mensch fähig ist. Beim Hofgericht in Freiburg ohne Gehalt beschäftigt,
las ich dem fast erblindeten Direktor Karl Friedrich Frh. Stockhorner von Starein
[1804-1873] die Prozeßakten vor. Als Gegenleistung besprach er die Rechtsfälle
mit mir, machte mich insbesondere auf ein letztinstanzliches Urteil aufmerksam,
als dessen wahrscheinlichen Verfasser er Stabel, seit Oktober 1851 Präsident des
Oberhofgerichts, bezeichnete, und fügte bei, daß Stabel als Vorsitzender des Prüfungsausschusses
die darin niedergelegte eigentümliche Rechtsanschauung vielleicht
den Kandidaten verhüllt vorlegen werde. Ich studierte den Fall gründlich und
siehe da - er lag in der ersten schriftlichen Frage. Oberhofgerichtsrat Ruth, Mitglied
der Prüfungskommission, hat mir nach seiner Zurruhesetzung im Jahre 1869
in Überlingen folgendes mitgeteilt: Von den 25 Praktikanten war ich der einzige,
der die Frage richtig beantwortet hatte. Bei der Beratung erklärte Stabel, meine
Ausführung sei als nicht geschehen zu betrachten, weil ich die Akten gelesen habe.
Die übrigen Herren hielten einstimmig entgegen, daß daraus die Umsicht und der
Fleiß des Kandidaten erhelle. Gegen die Stimme Stabeis erhielt ich für diese Arbeit
die Note gut. Ruth hat sich das Benehmen Stabeis nur aus einem feindlichen
Verhältnis zwischen uns beiden erklären können. Das war aber der noch nicht erloschene
Haß gegen meinen schon sechs Jahre toten Vater.

Für meinen Großvater begannen nach der zweiten juristischen Staatsprüfung
nun die „Wanderjähre", wie er den 2. Teil seiner „Erinnerungen" bezeichnet. Bis
zur Übernahme in den Staatsdienst als Amtsrichter 1866 „wanderte" er von Freiburg
nach Pforzheim, wieder nach Freiburg zurück, dann nach Waldkirch, Jestet-
ten, Breisach, Offenburg und Baden-Baden. Er übte dabei spärlichst dotierte Stellen
als „Gehilfe eines Rechtsanwalts", „Aktuar", „Verwalter eines verwaisten
Amtsgerichts", „Gehilfe eines Bezirksamts", „Vertreter eines Staatsanwalts", und
„Sekretär eines Kreisgerichts" aus. Als Amtsrichter war er in Villingen und Emmendingen
tätig, als Oberamtsrichter - 1875 — in Freiburg und Staufen. Erst mit 57
Jahren - 1887- wurde er zum Landgerichtsrat in Mosbach ernannt und vier Jahre
später in seine geliebte Vaterstadt Freiburg versetzt.

Die Schlußworte seiner „Erinnerungen" - vom Herbst 1899 - lauten:

„Dankbar schaue ich auf die Vergangenheit zurück und genieße froh die Gegenwart
eingedenk meines Wahlspruches:

„carpe diem!"

Am 14. Mai 1905 schloß er für immer die Augen.

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