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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1978/0139
pallo-Vertrag war in Arbeit, ehe Rathenau Minister geworden ist. Und zur Ostpolitik
insgesamt: Der Rapallo-Vetrag und der Bahnbruch nach Rußland waren
selbstverständlich auch eine Notwendigkeit gegen Polen, das uns in den bekannten
oberschlesischen Kämpfen Oberschlesien entreißen wollte. Auch da stehe ich neben
den militärischen Führern jener Tage, besonders neben General von Seeckt, der bereits
mehrmals ausgesagt hat, daß wir gemeinsam und übereinstimmend die Verteidigung
Deutschlands an der Ostgrenze wie die Vorbereitungen auf russischem
Boden gemacht haben. In der Durchführung dieser Politik standen mir die Rechtskreise
zur vollen Verfügung.

Nachdem er gesagt und begründet hatte, was mit dem Zitat nicht gemeint war,
nämlich ein Werturteil im staatspolitischen Sinne meinen politischen Gegnern gegenüber
,36 erläuterte er sehr sachlich, eng am Text dessen Sinn: Er habe die versammelten
Volksvertreter beschworen, die Atmosphäre des Mordes, des Zankes,
der Vergiftung zu zerstören. Er meinte damit die maßlose politische Hetze, wie sie
namentlich die Rechtspresse betrieb, die labile Gemüter bis zum Mord stimulieren
konnte. Ich wollte jene treffen, die durch Verhetzung und Aufpeitschung der Leidenschaften
die Atmosphäre geschaffen haben, der der Reichsminister Rathenau
zum Opfer fiel.37 Rathenaus Tod war Wirth sehr nahe gegangen. Er hatte seinen
Freund und vertrautesten Mitarbeiter38 verloren, außerdem fürchtete er von Stund
an um sein eigenes Leben. Er faßte zusammen: Meine Rede gipfelte also in einer
Verurteilung dieser Atmosphäre. Und nun kommt der ominöse Satz ,Da steht
der Feind, wo Mephisto39 sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt, da steht
der Feind, und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts.'

Wirth verzichtete bei seinen Aussagen in Paris darauf, die Stimmung im Reichstag
am 25. Juni 1922 zu schildern. Aus ihr heraus gestaltete sich jedoch seine frei
gehaltene Rede. Der badische Zentrumsführer Dr. Josef Schofer hat sie in anschaulicher
Weise festgehalten: Es kam die erschütternde Reichstagssitzung mit der so
viel zitierten und mißbrauchten Rede des Reichskanzlers Dr. Wirth. Ich wohnte
dem Vorgang bei. Die Linke stürmte mit erhobenen Fäusten und lärmend auf die
Bänke der Rechten los. Man hörte die leidenschaftlichsten Ausbrüche durch den
Saal toben. Da erschien der Kanzler. Einen Augenblick gab's Ruhe; dann brach der
Orkan um so stärker los. Die Rechte stand mit eisernem Schweigen in ihren Bänken
und deckte die, denen die Leidenschaft galt. Sie bot ein vorbildliches Beispiel
von Disziplin und Korpsgeist. Der Kanzler stieg zur andrängenden Linken herab
und suchte zu beruhigen. Es gelang ihm; die meisten kehrten scheltend und grollend
auf ihre Plätze zurück, die andern folgten schließlich den Beschwörungen des
Kanzlers; die Sitzung begann. Dr. Wirth erhob sich. Die Sätze seiner Rede glichen
frisch geschliffenem Stahl. Die Seelenspannungen auf der Tribüne und im Saal
wurden wie von Meisterhand gelöst. .. Mit verhaltenem Atem folgte ich der Rede,
instinktiv von der Sorge geplagt: es möchte die ungeheure Spannung Pfeile senden
und Schüsse bringen, die der kühle Politiker nicht wünschen und die Lage nicht ertragen
könnte. Als der letzte Satz gesprochen war, da sagte ich vor mich hin: ,Wie's
lautete und gemeint war, richtig! Was werden sie aber daraus machen? Das Los
Erzbergers?' Ich hatte richtig gesehen.40

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