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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 66
(PDF, 45 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0068
schieben si die sach uf unns her gen fryburg, senden uns den gerichtshandel mit
bitt, das wir inen ein urteil gebind/4 4

Eine Sonderstellung im Verkehr mit dem Oberhof nahm auch Überlingen ein,
das sich des Freiburger Rats als Appellationsinstanz bediente. Die Appellation
war das „fortschrittlichste Rechtsmittel'', das dem römisch-kanonischen Prozeßrecht
entstammte und daher ein wissenschaftliches Profil aufzuweisen hatte.
Appellation und Rechtszug unterscheiden sich grundsätzlich: Beim Rechtszug —
gleich ob in Form der Bestätigung bei gezweitem Urteil oder als Informationszug
— wird vom Oberhof keine Gerichtsbarkeit wahrgenommen, sondern nur
Spruchhilfe erteilt. Die Funktion des Richters als Verfahrensgaranten wird in keiner
Weise berührt, allein Störungen bei der Rechtsfindung der Urteiler werden
durch den Oberhof eliminiert. Der Oberhof ist also kein oberes Gericht, sondern
lediglich Spruchkollegium, dessen Urteile vom Prozeßgericht unter eigener Autorität
verkündet werden. Ganz anders bei der Appellation. Hier werden auf verschiedenen
Ebenen nacheinander zum gleichen Gegenstand zwei jeweils durch
Endurteile abgeschlossene Verfahren geführt, allerdings mit der Folge, daß das
Urteil der zweiten und höheren Instanz letztlich maßgeblich ist. Bei der Appellation
wird also im Unterschied zum Rechtszug in jeder Instanz Gerichtsbarkeit
wahrgenommen, wobei das Appellationsgericht Obergericht ist und damit umfassende
politische Befugnisse demonstriert.5

Mit diesen Hinweisen werden nicht nur institutionelle Unterschiede aufgezeigt,
vielmehr geht es um grundsätzliche Fragen des Verständniswandels im Bereich
der Gerichtsbarkeit. Im Hochmittelalter steht das gesellschaftliche Interesse an
einer Konfliktbewältigung noch vor dem Gerechtigkeitsinteresse, und die „staatliche
"4 Leistung besteht darin, Gericht und Verfahren zur Verfügung zu stellen.
Daraus erklärt sich, daß nur der Richterrolle, nicht aber der Urteilerbank politisches
Gewicht zukommt. Erst das allmähliche Übergehen zu einer materiellen
Rechtsprechung läßt die Erwartung reifen, daß sich die öffentliche Verantwortung
auch auf diesen Bereich erstreckt. Damit kommt es zur Ausbildung von
materiellen Kontrollinstanzen und schließlich zur Rezeption des Appellationsverfahrens
, das sich außerdem als geeignetes Instrument der Territorialisierung erweist
. Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts setzt eine Ablösung des Rechtszugs
durch die Appellation ein, wobei sich im Übergang der grundsätzliche Unterschied
beider Institutionen verwischt.

Eine Appellation von Überlingen nach Freiburg ist erstmals 1466 belegt. Es
stellt sich die Frage: Handelt es sich hier um den Beginn einer Appellation, sei es
daß man früher den Rechtszug nach Freiburg nahm und nun zum Appellationsverfahren
überwechselte, sei es daß man überhaupt erst jetzt die Beziehungen
zum Freiburger Rat in Form der Appellation aufnahm, oder hat Überlingen
schon immer — seit dem 13. Jahrhundert — nach Freiburg appelliert. Johanna
Bastian hat sich dazu folgendermaßen geäußert:

Daß von Überlingen ursprünglich der Rechtszug in der bei den andern Orten üblichen Form
nach Freiburg genommen worden, und erst später zur Appellation übergegangen worden ist, ist
nicht gut anzunehmen. Denn in den Privilegien von 1275 und 1330 ist ausdrücklich von ,appellare'
und ,appellatio* die Rede, so daß wenig Wahrscheinlichkeit besteht, daß statt der Appellation

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