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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 68
(PDF, 45 MB)
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nung, daß beim Rechtszug im Gegensatz zur Appellation der Prozeß stets beim
gleichen Gericht anhängig blieb. Der Ausdruck „appellatio" für sich genommen,
vermag also keinerlei Aufschluß über das Verfahren selbst zu geben. Dies ist
auch der Grund dafür, daß das ,,Appellationsprivileg" der Goldenen Bulle von
1356 für die Kurfürsten immer noch gewisse Interpretationsschwierigkeiten bereitet
. Sobald jedoch ein Text Hinweise auf weitere Verfahrensschritte gibt, wird
deutlich, daß mit „appellatio" die Urteilsschelte, der Rechtszug oder ähnliches
gemeint ist. Das gilt z. B. für ein Mandat Kaiser Heinrichs VI. von 1191—1194
zur Wormser „appellacio." 13

Oft erschließt sich der Text überhaupt erst dann, wenn eine deutsche Entsprechung
vorliegt, welche die Abläufe konkreter beschreibt und daher aus der lateinischen
Allerweltsterminologie heraustritt. Aus dem alemannischen Rechtsbereich
lassen sich dafür die Hofrechte der Zürcher Großmünsterpropstei anführen. Die
vor 1346 entstandene lateinische Formulierung einer „appellatio" an den Kehlhof
Fluntern lautet: ,,Item ab aliis curtibus ecclesie in causis appellari debet in Flunt-
rein et ab inde ad capitulum Thuricense." 14

Die im 15. Jahrhundert aufgezeichnete Öffnung von Fluntern läßt in ihrem
deutschen Wortlaut klar erkennen, daß es sich hier um den Rechtszug bei gezwei-
tem Urteil handelt:

Item alle urteilen, so uf den vorgenannten miner herren höfen stössig werdent, die soll man us
richten und usscheiden uf dem egenannten kelnhof ze Fluntren. Were ouch das die husgenossen
umb ein Urteil stössig wurdin, so süllent si dieselben Urteil ziechen für min herren und das capi
tel, und sol ouch mit namen die Urteil vor denselben beliben.15

Mit „usscheiden" wird die Entscheidung für das Mehrer- oder Minderurteil beschrieben
; schon ein Zürcher Ratsurteil vom Jahre 1307 bedient sich dieser Ausdrucksweise
.16 Zürich hat übrigens für sein Stadtgericht gegen alle Versuche, die
Appellation einzuführen, den Rechtszug an den Rat bis in die neueste Zeit beibehalten
.17.

Die lateinische Terminologie des Zürcher Großmünsters18 weist bemerkenswerte
sprachliche Parallelen zum Freiburger Stadtrodel von 1218 auf, wo ebenfalls bei
Vorliegen einer „discordia" ein „appellare" zugelassen wird. Die bekannte Bestimmung
des Stadtrodels lautet:

Si super aliqua sententia fuerit inter burgenses orta discordia, ita quod una pars illam vult tene
re sententiam, alia vero non, ex XXIV consulibus duo, non simplices burgenses, super ea Colo
niam appellabunt, si volunt; et si cum testimonio Coloniensium rerversi fuerint, quod vera sit
sententia, pars contraria reddet eis expensam omnem, quam fecerunt. Si vero Coloniensium ju
dicio non obtinebunt sententiam, ipsi dampnum ferent et expensam.19

Daß mit diesem Artikel nur der Rechtszug gemeint sein kann und nicht etwa
eine Appellation im technischen Sinne, steht heute außer Diskussion. Die ,,sen-
tencia" ist hier noch keine vom Richter ausgegebene Entscheidung, sondern ist
als „Urteil" im Sinne der älteren Rechtssprache lediglich ein Prozeßschritt.20

Kehren wir zum Überlinger Privileg von 1275 zurück, so ist nach dem Gesagten
nur noch festzustellen, daß die Formulierung des Privilegs eine Spruchbeziehung
der Reichsstadt nach Freiburg zum Ausdruck bringen will, über das Verfahren
selbst aber keinerlei Auskunft gibt. Mit dem unbestimmten, aber gebräuch-

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