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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 126
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„um dem ewigen Singsang in deinem Häuslein ein Ende zu machen? Ist ja doch dort ein
Lachen und Jubeln ohn' Ende! Doch, damit du siehstft — fügte er noch hämischer hinzu
— „daß ich auch deinen Kopf gelten lassen will, so merk' auf was ich dir jetzt sage!
Du weißt, ich esse gerne Kirschen, und heute Abend habe ich große Gesellschaft. Bringst
du mir nun diesen Kirschbaum hier, so wie er dasteht, noch vor Mitternacht in meinen
Saal, so daß ich und meine Gäste die Früchte davon brechen können, so bleibt nicht allein
deine Tochter bei dir, sondern du sollst auch nebst all den Deinigen frei sein. Ich habe
schon bemerkt, daß du schon lange im Stillen damit umgehst, von mir loszukommen.
Aber merke dir wohl: noch ehe die Thurmuhr zwölf ausgeschlagen hat, muß der Baum in
meinem Saale stehen!ft Mit diesen Worten entfernte sich der Ritter, ohne eine Antwort ab
zuwarten und noch lange hörte man von ferne sein dumpfes, abgebrochenes Lachen.

Der gute Kaspar war der Verzweiflung nahe. Er kannte den Ritter zu genau, um eine
Abänderung seines Befehls hoffen zu dürfen und übersah mit Einem Blicke das Elend
seiner Lage. Die Flucht zu ergreifen war unmöglich, und eben so unmöglich schien es ihm
auch, je die Bedingung zu erfüllen, unter welcher allein seine Tochter zu retten war. Denn,
einmal im Schlosse drinnen bei dem Ritter, war sie verloren! Umsonst warf sich ihm
Gundchen um den Hals; ihre Zärtlichkeit vermehrte nur noch seinen Jammer; und als voll
ends auch noch die Mutter dazukam, war des Wehklagens und Weinens kein Ende, die
Steine hätten gerührt sein mögen. Da fiel das gute Gundchen auf die Kniee nieder und
betete recht inbrünstig, daß doch der Himmel sie nicht verlassen möge. Und siehe, als sie
so zu Gott flehte und die Anderen weinten, zuckt' es plötzlich wie ein Blitz am heiteren
Himmel, die Erde bebte, ein Windstoß fuhr durch die Gebüsche und aus der Tiefe der
Erde lies sich eine Stimme vernehmen: Wehe, wehe! Seine Stunde hat geschlagen; dreimal
wehe!(( — Voll Entsetzen floh Kaspar mit seiner Frau und den Knaben von dannen, ihr
Haar sträubte sich empor, nur Gundchen folgte ihnen langsam und beruhigt, denn sie
wußte nun gewiß, daß der Himmel sie nicht verlassen und der Bosheit ihres Herrn preisge
geben würde.

Der Tag ging ohne ein merkwürdiges Ereignis vorüber, nur fühlte man, daß die Luft
immer schwüler wurde und wirklich war ein Gewitter im Anzüge. Die Thüre des alten
Kaspar wurde nicht mehr aufgemacht; ihn selbst aber konnte man im Vorübergehen, wenn
man durch das Fenster einen Blick in die Kammer warf, mit Frau und Kindern auf den
Knieen liegen und andächtig beten sehen. Hörte man auch bisweilen die Stimme des hüb
sehen Gundchens dazwischen, so war es doch nur in einem geistlichen Liede; Sie hatte sich
jetzt alle weltlichen Gedanken aus dem Kopfe geschlagen.

So rückte der Abend heran und mit ihm fand sich auch die Gesellschaft des Burgherren
ein, die von der Jagd zurückkehrte, von Hörnerschall und Hundegebell begleitet. Nie war
die Jagd noch so wild und so grausam gewesen, wie heute; Hirsche und Hündinnen, Reh
böcke und Gaisen waren zusammengeschossen, und die Felder der Bauern schonungslos
zertreten worden. Manche Leute glaubten beim Anblick des zurückkommenden Zuges es
gehe schon jetzt nicht mehr mit rechten Dingen zu, denn man zählte diesmal eine doppelt
größere Meute von Hunden, als die Herren sonst mit sich zu führen pflegten, sogar auch
wilde Thiere, wie z. B. Löwen und Tiger, wollte man darunter bemerkt haben. Da (nun)
die Ritter ihre Jagdlust befriedigt hatten, setzten sie sich im Schlosse zum Gelage nieder,
und nun wurde gesotten und gebraten und aufgetragen, was (nur) Küche und Keller ver
mochten, und auf den Tischen Platz hatte. Spielleute wurden herbeigeschafft, nichtswürdi
ges Gesindel, das sich auf allen Jahrmärkten herumtrieb, manchen Burschen in's Sünden
garn hineinlockte und manches Mädchen verführte. Da war großer Jubel in der Burg;
Nicht nur die Herren zechten übermäßig und trieben mit Buhldirnen ihr Spiel, sondern
auch die Knappen und Knechte folgten ihrem Beispiele. Darum ward es auch Niemand von
der Gesellschaft gewahr, daß das Gewitter vom Rheine her immer näher und näher heran

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