Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 127
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zog. Von Stunde zu Stunde wurde das Toben und Lärmen im Schlosse frecher und wilder;
kein Scherz blieb zur Auf heiterung der Gäste unversucht. Besonders aber erregte es großes
Gelächter, als der Burgherr die Geschichte vom Kirschbaum erzählte und mit lebendigen
Farben die Seelenangst und das Entsetzen des armen Kaspars schilderte. Einige meinten,
man solle doch nachsehen lassen, ob er noch nicht angespannt habe, um den bedungenen
Nachtisch heraufzuführen; eine fürwitzige Dirne wollte sogar den Kopf zu einem Fenster
hinausstrecken, aber da faßte der Wind die Flügel desselben und schlug sie mit solcher
Heftigkeit zu, daß die Glasscherben im ganzen Saale herumflogen. Jetzt begann es doch
Manchem unheimlich zu werden, aber Keiner vermochte sich von der Stelle zu bewegen
und Jeder fühlte sich wie verzaubert in dem Saal festgebannt.

Plötzlich fing der Thurmwart aus allen Kräften an, Sturm zu blasen, und ein Knecht
stürzte mit verstörtem Angesicht und der Nachricht herein, man höre vom Walde herauf
Pferdegetrappel und sehe viele Lichter sich dort hin und her bewegen. Schon wollte der
Burgherr voll Zorn über eine solche Störung seines Festes sich aufmachen, als ein Windstoß
alle Fenster auf einmal aufriß und alle Lichter wie mit Einem Schlage ausgelöscht
wurden. Während nun solcherweise im Saale dunkle Nacht herrschte, ward es außerhalb
der Burg und im Thale drunten um so heller. Blitze kreuzten sich unaufhörlich nach allen
Richtungen, dabei rollte der Donner, als bräche das Weltgericht herein und der heftigste
Sturm, wie man noch keinen erlebt, schien den ganzen Wald entwurzeln zu wollen. Das
Grausigste aber für die Gesellschaft war, was sie jetzt auf dem Acker des armen Kaspar
von Weitem erblickte. Dort stampften vier rabenschwarze Rosse ungeduldig vor einem großen
Wagen, und hundert Riesenarme, die aus der Erde hervorkamen, schienen damit beschäftigt
, einen Baum auf denselben zu heben. Die Früchte von diesem Baume aber waren
ganz feurig, wie Karfunkel, und nicht zu zählen; übrigens sahen sie ganz den Kirschen
gleich. Endlich gelang es den vielen Riesenarmen den Baum mit sammt den Wurzeln auf
den Wagen zu bringen und nun schwang sich ein, wie der arme Kaspar gekleidete Kutscher
auf den Bock und voran ging 's den Berg herauf in raschem Galopp. Der Burgherr zwang
sich umsonst zu lachen und seinen Genossen Muth einzuflößen, allein er brachte nur ein
widriges Grinsen und unverständliches Gemurmel hervor. Der Wagen aber schien den
Boden nicht zu berühren, sondern über den Wipfeln der Bäume hinzustreifen und eine
Flammenstraße hinter sich zu lassen. So flog er immer näher, während es immer schrecklicher
donnerte und blitzte, an die Burg heran, wo ihm auch das wohlverwahrte Thor keinen
Widerstand zu leisten vermochte. Wie Papierblätter fielen die Thorflügel auseinander
und die Mauern darüber rollte wie ein Haufen Sand in den Graben. So brauste der Wagen
endlich durch die weitgähnende Wand in den Saal und mitten unter die von Entsetzen
halbtodten Gäste herein. Da stand der Baum, wie ungefähr, wenn man ihn so vergleichen
darf, ein großer Christbaum, mit Früchten und Lichtern übersäet; aber Niemand war so
keck, sich Etwas von der Bescheerung zuzueignen. Der Kutscher aber rief mit donnernder
Stimme: ,,Was zögert ihr denn? So greift doch zuls< Und die Riesenarme drangen jetzt
wieder aus den Wänden des Saales hervor und nöthigten die Herren und Damen, zuzugreifen
. Sobald aber Jemand eine der funkelnden Kirschen zum Munde führte, verwandelte
sich dieselbe in eine Flamme, die nicht mehr zu löschen war und tief in das Herz und den
Magen hinunterbrannte. Endlich riß der Kutscher selbst den Burgherrn zu sich auf den
Bock hinauf, das Feuer bemächtigte sich des Gebälkes und der Dachsparren des Schlosses,
der Boden öffnete sich mit einem weiten Klaff, und Pferde, Wagen, Ritter und Gäste
sanken in eine schwarze, bodenlose Tiefe hinab. — So erzählten damals die Sonntagskinder
, denn andere Leute hatten nur Blitze gesehen, die wie eine ungeheure Feuergarbe auf
das Schloß zufuhren und es in ein Flammenmeer begruben. Aber es ist weltbekannt, daß
Sonntagskinder in solchen Dingen immer mehr sehen, als gewöhnliche Menschenaugen.

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