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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 152
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hundert eine tiefgreifende Kirchenreform zum Ziel gesetzt hatte. Mit etwa fünfzig
Jahren wurde er 1129 Bischof von Gubbio in Umbrien; tatkräftig setzte er sich in
den Wirren der Zeit für seine Bischofsstadt ein. Am 16. Mai 1160 verstorben,
wurde er 1192 heiliggesprochen.6 Nur in einem der Mirakelberichte ist die Rede
davon, daß die sterbliche Hülle des Heiligen in Gubbio ruht, die Kirche in Thann
nur einen winzigen Teil des Leichnams birgt, etwas von der Haut eines Fingers:7
Johannes Bettoniszheim von Seeland wollte ziehen nach ,,sant thiebolt zuo tann
vnd ovch zuo engubina [Gubbio], do er ganz liplichen ruowet, hie zuo ein teil'4
(Nr. 139).

Warum nach Thann?

Häufiger wahrscheinlich, als aus den Berichten hervorgeht, kam es vor, daß jemand
die Reise in seiner Not gelobte, ohne sich darüber klar zu sein, auf welches
Abenteuer er sich eingelassen hatte. Vierzehn Tage lang schwebt Theobald, der
Sohn eines ,,freien Herrn'zwischen Leben und Tod. Dem Vater kommt schließlich
der Gedanke, das Kind dem hl. Theobald zu verheißen; er weiß aber nicht,
wo dieser ,,wohnt und Zeichen tut". Es wird ihm geraten, nach Thann zu ziehen
oder schicken zu lassen. Sobald diese Fahrt gelobt ist, wird das Kind gesund
(Nr. 161).

Wenn der Vater in seiner Not den hl. Theobald anruft, dann deshalb, weil er
ihn als Namenspatron seines Sohnes für besonders ,,kompetent" hält. Ausnahmsweise
gibt hier einmal ein Bericht in den Theobaldsmirakeln Auskunft darüber
, warum ein Mensch aus der Ferne gerade nach Thann wallt. Warum aber
wenden sich Menschen in Lübeck, Kiel, Hamburg8 gerade an den hl. Theobald in
Thann? Die Frage ist nicht damit beantwortet, daß die Flehenden um seine
Macht als himmlischer Fürsprecher wissen. Es gab viele andere Heilige, die sich
z. B. als Helfer aus Seenot bewährt hatten; zu denken wäre an den hl. Nikolaus,
der sich bei Seeräubern und Kaufleuten großen Ansehens erfreute und dem deshalb
entlang der Ostseeküste zahlreiche Kirchen geweiht wurden. Eine Antwort
kann hier nur annäherungsweise versucht werden.

Im Spätmittelalter war eine — oft sehr unkritische — Wundergläubigkeit verbreitet
. Nach Aussage der Mirakel hat der hl. Theobald oft in verzweifelten Fällen
geholfen; Ärzte waren vorher vergeblich konsultiert worden. Derartige Wunder
sprachen sich in Windeseile herum.

Die Heiligenverehrung öffnete der Frömmigkeit des Einzelnen Freiheitsräume,
in denen man nicht nur Mißbrauch und Verfall sehen darf, sondern auch Bekundung
eines in die Neuzeit weisenden Individualismus und Ausdruck persönlichen
Vertrauens. Nicht von ungefähr wird der hl. Theobald gelegentlich als ,,unser
huszvatter" (Nr. 198) angeredet.

So vertraut der hausväterlichen und kaufmännischen Vorstellung der Gedanke
der Risikostreuung ist, so naheliegend ist für dasselbe Denken die Vorstellung,
daß man bei wichtigen Angelegenheiten nicht nur eine einflußreiche Person um
Fürsprache bittet. Oft wird daher der hl. Theobald zusammen mit anderen Heiligen
angerufen. Nach Ausweis der Mirakelberichte ziehen Pilger anschließend beispielsweise
weiter zu Unserer Lieben Frau nach Einsiedeln. Daß mehrere Heilige

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