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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 154
(PDF, 45 MB)
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richte konnten auch Kaufleute interessieren: Pilger und Händler waren gleichermaßen
an sicheren Wegen und vertrauenswürdigen Herbergen interessiert.

Die Mirakelberichte

Wenn die Pilger offensichtlich auch nicht verpflichtet waren, einen Bericht von
,,ihrem'' Wunder zu Protokoll zu geben, so werden die meisten doch ebenso gern
erzählt wie der Pfarrer aufgezeichnet haben. Es galt, Beweise (nicht selten mit
„Brief und Siegel", vgl. Nr. 182) für die Wirkmächtigkeit des lokalen Heiligen
zusammenzutragen. Wie andernorts 13 wurden solche Berichte auch in Thann zunächst
auf Zettel geschrieben und später von mehreren Händen in einen Pergamentkodex
übertragen.14 Die 216 Mirakelberichte setzen 1407 ein und brechen
schlagartig mit der Reformationszeit ab. Sie spiegeln damit die Zeit der Blüte der
Theobaldswallfahrt. Als letzter Pilger aus Norddeutschland und vorletzter Pilger
überhaupt wird in den Mirakelberichten erwähnt „Johann franck usz dem land
hollstein"; stellvertretend für eine Mutter leistete er 1522 für Errettung aus
Kindsnöten die Fahrt (Nr. 212; die unter Nr. 213—215 Verzeichneten kamen in
früheren Jahren). Ein Nachtrag aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zeigt
allerdings, daß noch 1636 der hl. Theobald als mächtiger Helfer in Schwaben bekannt
war (Nr. 216).

Konkreter und anschaulicher, als es Chroniken oder Urkunden vermöchten,
bieten Mirakelberichte kulturgeschichtlich interessantes Material zum Alltag der
Menschen, zu Themen wie „Kindheit" oder „Sterben".15 Sie zeigen, wie sehr der
Mensch von Unfall, Krankheit und Tod umfangen war; in den zahlreichen Berichten
von Befreiung aus Gefangenschaft spiegeln sie eine oft erschreckend
große Rechtsunsicherheit im ausgehenden Mittelalter. Andererseits geht aus diesen
Berichten hervor, welch große Freizügigkeit die Menschen vor 500 Jahren besaßen
, eine Freiheit, von der die Nachfahren der Pilger aus Stralsund und Dan-
zig, Thüringen und Schlesien heute nicht einmal träumen können.

Manche Berichte bringen in wenigen Zeilen nur dürre Angaben mit dem Namen
des Pilgers und dem Grund seiner Fahrt. Andere Wunder werden in epischer
Breite, mit viel Handlung und Spannung, mit eingestreuten Reden und Gebeten
erzählt, z. B. Nr. 92 ,,Ein groß wunder zeichen von dem hertzogen von Stettin"
[Pommern]. Hier wird auch eigens vermerkt, daß das Geschehen nicht in der Kirche
, angesichts der Reliquie des Heiligen, sondern ,,jn der herberge zuom Roten
loeuwen" berichtet wurde.

Indirekt geht aus den Protokollen hervor, daß mit solchen Wunderberichten
auch Mißbrauch getrieben wurde. Es wird vielfach betont, daß die Aussage von
einem ,,erber man" (glaubwürdigen Mann) stamme, daß der Pilger die Aussage
,,by sinem Cristen glouben vnd by sinem eide" gemacht habe (Nr. 1 und öfter).
Der eine bekräftigt seine Aussage ,,by siner trüwe an eids stat vnd bie siner vart"
(Nr. 42); Priester schwören bei ihren Ämtern, Adelige bei ihren Ehren, ein Vogt
bei seinem Diensteid und bei seiner ,,letsten hinfart" (Nr. 194). Der Eid wird geleistet
in der Kirche „vor sant Thieboltz stock" (Opferstock; Nr. 43); ein Niclaus
aus Heiligenwald, unweit von Danzig, hat seine Aussage beschworen ,,vff dem

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