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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 158
(PDF, 45 MB)
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gie nachgebildet ist: „also bitte für vns, lieber Sant Thiebolt, das wir lidig vnd
enpunden werdent von den banden aller vnser sünden" (Nr. 102).

Das Motiv der wunderbaren Errettung aus Gefangenschaft gehört zum uralten
Legendenschatz. Erinnert sei an die Befreiung Josefs aus dem Kerker des Pharao
oder an die des hl. Petrus aus dem Gefängnis durch einen Engel. Es ist nicht weiter
verwunderlich, daß nach manchen Protokollen die Initiative zur Befreiung
nicht beim Gefangenen lag. Hennikin Moldenbecke aus Salzwedel in der Mark
Brandenburg wird 1406 in den Block, seine Füße zusätzlich in Eisen geschlagen.
Er betet zu Gott, bittet Maria und den hl. Theobald um Hilfe. In der Osternacht
ist ihm, als frage ihn jemand im Schlaf, warum er keine Wallfahrt zum hl. Theobald
nach Thann und zur hl. Maria nach Einsiedeln gelobe (Nr. 91). Gelegentlich
ergreift der Heilige ganz direkt die Initiative zur Befreiung; er erscheint dem Gefangenen
und fordert ihn auf: Greife unter deinen Stock, da findest du das Stück
von einem Messer, damit befreie dich (Nr. 115). Oder der Gefangene weiß sich
von der Stimme Marias und Theobalds geweckt und zur Flucht ermahnt
(Nr. 194).

Wurden seit der Aufklärung gerade solche Berichte als unglaubwürdig verworfen
, so haben die moderne Medizin und Psychologie die Bedeutung des Traumes
erkannt: Während des Schlafes oder Halbschlafes werden unterschiedliche Beobachtungen
zu neuer helfender Erkenntnis verdichtet. Wer tage-, wochen-, monatelang
wie besessen auf Rettung sinnt, mag zu nüchterner Analyse unfähig und für
die nächstliegende Lösung blind sein. Andererseits mag es Gefangene gegeben
haben, die von der mangelnden Wachsamkeit der Bewacher profitieren konnten.
Manchen Gefangenen ließ man vielleicht bewußt entkommen, weil kein Lösegeld
zu erpressen war und die Bewachung nur lästig fiel.

Wunder an Kindern

Häufiger noch als an Gefangenen werden Wunder an Kindern berichtet. Das ist
aus mehreren Gründen nicht selbstverständlich: Wer jemanden in seine Gewalt
gebracht und in den Kerker geworfen hatte, versprach sich irgendeinen Vorteil:
Ein politischer Gefangener sollte unschädlich gemacht, ein Lösegeld erpreßt oder
ein säumiger Schuldner unter Druck gesetzt werden. Die Gefangenen dürften
daher mehrheitlich mindesten zur begüterten Schicht gehört haben; von ehrbaren,
zum reichen Bürgerstand gehörigen Kaufleuten, die in Gefangenschaft geraten
waren, war ja schon die Rede.

Die häufige Erwähnung von Kindern ist aus einem weiteren Grunde erstaunlich
: Aus späterer Zeit liegen Äußerungen vor, aus denen Gleichgültigkeit und
Lieblosigkeit dem Kind gegenüber sprechen, das nicht nur ein weiterer unnützer
Esser" ist, sondern die Arbeitskraft der Mutter während der Schwangerschaft
schwächt, ja sogar — angesichts der vielen, im Kindbett gestorbenen Mütter -
eine potentielle Lebensgefahr für die Mutter bedeutet. In den Theobaldmirakeln
begegnet an keiner Stelle eine negative Einstellung zum Kind, übrigens auch nicht
in den etwa 250 Jahre früher aufgezeichneten Elisabethmirakeln.19 Aus beiden
sprechen vielmehr Sorge und Anteilnahme der Eltern, wenn es dem Kind schlecht
geht. Nur in wenigen Fällen läßt sich diese Anteilnahme damit erklären, daß man

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