Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
101.1982
Seite: 344
(PDF, 45 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1982/0346
schäft historischer Aufklärung. Obwohl schon 1956 der Münchener Historiker und Archivar
des Instituts für Zeitgeschichte, Anton Hoch, in einer minutiösen, in den Vierteljahresheften
für Zeitgeschichte veröffentlichten Untersuchung nachweisen konnte, daß es sich bei
diesem „Angriff" am Tag der Eröffnung des Westfeldzugs um den versehentlichen Bombenabwurf
deutscher Flugzeuge, einer Kette der III. Gruppe des Kampfgeschwaders 51
„Edelweiß", gehandelt hat, hielten sich in der Öffentlichkeit und in ideologisch fixierten
Teilen der Geschichts-,,Wissenschaft" hartnäckig zwei andere Versionen dieser fliegerischen
Fehlleistung, die 59 Menschen, darunter mehr als 20 Kindern, das Leben gekostet
hat. Die eine Version war noch am Abend des 10. Mai als offizielle Verlautbarung der
nationalsozialistischen Reichsregierung in die Welt gesetzt worden: Feindliche britische
Flugzeuge hätten die „offene Stadt" Freiburg bombardiert. Seither spielte der „Angriff
auf Freiburg" eine bedeutende Rolle als propagandistisches Mittel zur Rechtfertigung einer
eskalierenden Ausweitung des strategischen Luftkriegs gegen England. Die mysteriösen Begleitumstände
bei dem „Angriff" — es hatte weder Alarm gegeben, noch war von der
deutschen Flak ein Abwehrversuch unternommen worden — und seine exzessive propagandistische
Verwertung durch die Nationalsozialisten trugen dazu bei, daß nach dem Krieg
eine zweite Version des Geschehens in den Vordergrund trat, die sich neben der ersten bis
in jüngster Zeit behauptete und auch heute noch wider besseres Wissen, z. B. von der Geschichtsschreibung
der DDR, vertreten wird: Hitler persönlich habe den Luftangriff auf
Freiburg befohlen, um vor der Öffentlichkeit eine Scheinrechtfertigung für die Verschärfung
des Luftkriegs gegen England in die Hand zu bekommen. Veranlaßt durch die sich
hartnäckig haltenden widersprüchlichen Auffassungen haben Gerd R. Ueberschär und
Wolfram Wette, beide Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg, das
Thema noch einmal aufgegriffen. In einer wissenschaftlich exakten, gleichwohl geradezu
detektivisch spannenden Untersuchung aller bisher bekannten Fakten und neuer, bislang
verborgener Tatbestände gelingt es den Verfassern, den „Fall Freiburg" abschließend zu
klären. Danach kann es jetzt nicht mehr zweifelhaft sein, daß es sich tatsächlich um einen
versehentlichen Bombenabwurf deutscher Flugzeuge gehandelt hat, der sein besonderes Gewicht
erst durch den politischen Kontext erhielt, in den er hineingezogen wurde und der in
der Untersuchung eingehend geschildert wird. Allein schon wegen der sorgfältig recherchierten
und endgültig aufgedeckten Sachverhalte darf die Arbeit von Ueberschär und
Wette Interesse beanspruchen. Ein zweiter Gesichtspunkt kommt aber noch hinzu. Wie
Andreas Hillgruber in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Nr. 11 vom 14. Januar 1982)
ausgeführt hat, geht es den Verfassern, indem sie die Fülle der Spekulationen und Verdächtigungen
Revue passieren lassen, die in der Vergangenheit, zuletzt noch einmal 1980,
vorgetragen wurden, wesentlich auch darum, „die Zählebigkeit von Legenden und die relative
Wirkungslosigkeit noch so sorgfältiger wissenschaftlicher Untersuchungen zu demonstrieren
, wenn sich bestimmte starke Emotionen oder politisch motivierte ,Thesen* mit
einer bestimmten (falschen) Interpretation fest verknüpft haben. Insofern ist der ,Fall Freiburg
* ein Lehrstück in Sachen Zeitgeschichte auf verschiedenen Ebenen: In der Klärung
komplizierter Sachverhalte, in der Auseinandersetzung mit widersprüchlichen Zeugenaussagen
..., der Einordnung des untersuchten Vorgangs in übergeordnete Zusammenhänge
und der mühevollen Durchsetzung des durch die exakte Forschung Erarbeiteten gegen festgefahrene
klischeehafte Meinungen.** Diese exemplarische, von den Verfassern klar herausgearbeitete
Bedeutung des „Falls Freiburg** macht neben der Tatsache, daß der lange von
Spekulationen verdunkelte Vorgang jetzt abschließend geklärt ist, den Reiz und den über
das Lokale hinausgreifenden Wert dieser eindrucksvollen Dokumentation aus.

Hans Schadek

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