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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
102.1983
Seite: 115
(PDF, 33 MB)
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tigungen, wobei er Sachlichkeit, Objektivität und Anständigkeit ablehne, wie die
Freiburger Zeitung Mitte Juni schrieb.73 Der Aufstieg des Alemannen zur größten
Tageszeitung Oberbadens beruhte also weniger auf seinen journalistischen Qualitäten
, als vielmehr auf der Unterstützung durch staatliche und Parteistellen, sowie auf
Diebstahl, Denunziationen, Drohungen und Lügen.

Ähnlicher Methoden bedienten sich die Nationalsozialisten auch bei den ersten
Maßnahmen gegen die Juden. Schon Anfang November 1932 berichtete die Volks-
wacht von einem Vorfall aus Ihringen, das damals schon einen Parteigenossen und
SA-Sturmführer als Bürgermeister besaß. Dort schrieb ein SA-Mann alle Besucher
eines jüdischen Kaufhauses auf, darunter seinen eigenen Vater. Zu diesem Zeitpunkt
griff allerdings noch die Polizei ein und machte diesem Treiben ein Ende.74

Anfang Februar 1933 forderte der Alemanne alle Bauern, ,,die durch jüdische
Viehhändler oder andere Schmarotzer betrogen** worden waren, auf, dies vertraulich
der Zeitung mitzuteilen.75 Schon Mitte März kam es zu den ersten von der
NSDAP organisierten Aktionen gegen jüdische Kaufhäuser in Freiburg. Zu diesem
Zeitpunkt gab es aber noch abweichende Stellungnahmen zu der angeblichen Volkswut
gegen die Warenhäuser.76 Nach Meinung der Volkswacht wünschte in Freiburg
kein Fünftel der Bevölkerung ,,die Schließung der Warenhäuser und jüdischen Geschäfte
. Wer sich unter der angeblich erregten Menschenmenge als Augen- und
Ohrenzeuge befand, konnte dies auf Schritt und Tritt feststellen, wenn ihm noch
nicht jeder Sinn für Wahrheit und Gerechtigkeit abhanden gekommen war.4 4 77 Zu
dem reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April gab es dann auch in Freiburg
keinen kritischen Kommentar mehr.

Es wurden aber auch zunehmend einzelne Juden persönlich angegriffen, wie der
Jugendwart der Freiburger Turnerschaft Dr. Picard, dem der Alemanne Ende März
einen halbseitigen offenen Brief widmete, der hier ausführlicher zitiert werden soll,
weil sich darin der Wahnsinn der antisemitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten
offenbart, der nicht zwangsläufig aber folgerichtig in Auschwitz endete.
,,Zweifellos können Sie (Dr. Picard, T. S.) nichts dafür, daß Sie Jude sind. Auch
für die typischen inneren Merkmale und Qualitäten Ihrer Rasse kann man Sie nicht
verantwortlich machen. Die sind einfach naturgegeben. UM SO DEUTLICHER
MÜSSEN SIE NUN ABER ENDLICH EINMAL DARAUF AUFMERKSAM
GEMACHT WERDEN, DASS SIE VON DER ERSTEN STUNDE IHRER
AMTSÜBERNAHME AN AM VERKEHRTEN PLATZ WAREN UND IM HEUTIGEN
STAAT DORT ERST RECHT UNTRAGBAR GEWORDEN SIND. Es ist
ein geradezu irrsinniger Kompromiß, in sogenannter demokratischer Weitherzigkeit
einen Mann in den Mittelpunkt einer Gemeinschaft zu setzen, der auf Grund seiner
angeborenen eigenvölkischen Anlagen dem gewollten Ziel ins Gesicht schlägt. Und
es ist eben einfach charakteristisch für Ihre wieder naturgegebene Mentalität, daß
Sie im Bewußtsein Ihrer Unzulänglichkeit trotzdem ein solches Amt annahmen.
JÜDISCHE FÜHRER FÜR DEUTSCHE JUGEND, IST DAS NICHT DIE
POTENZ DES WIDERSINNS? EIN VOLLBLUTJUDE ALS JUGENDWART,
DEKORIERT MIT DER GOLDENEN FT-NADEL! DAMIT DÜRFTE WOHL
IM GANZEN DEUTSCHEN TURNERLEBEN DER VOGEL ABGESCHOSSEN
SEIN. Wir zweifeln Ihre geistigen Fähigkeiten nicht an, Herr Dr. Piccard. Aber wir

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