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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0227
Unschicklich muß auf jeden Fall gewesen sein, wenn es zutraf, was der Obervogt
Joseph Anton von und zu Zwerger erst 450 Jahre nach dem Erlaß der ersten Stiftssat-
zung am 19. Oktober 1788 an die Regierung berichtete.25 Er hatte der Amtseinsetzung
des Chorherrn Leopold Kramer beigewohnt. Und da er Zeit seines Aufenthalts
in Waldkirch mit allen, mit denen er zu tun hatte, auf dem Kriegsfuß stand, setzte
er sich, nach dem er von der Feier nach Hause gekommen war, wutentbrannt an den
Schreibtisch und brachte seinen Zorn zu Papier. Nachdem er an der Andachtsordnung
beim Stift einiges auszusetzen hatte, ließ er die Katze aus dem Sack. Er rügte
das Gregorispiel und meinte, dieses sollte für allzeit verboten bleiben. Die Geistlichen
sollen dabei nur Gelegenheit genommen haben, einander lateinische Sottisen
(stichelnde Reden) in das Angesicht zu werfen, um dadurch das Feuer der Zwietracht
für fernere Zeiten in hohen Flammen zu erhalten. Anschließend gab der Obervogt
Ratschläge, wie sie sich bei künftigen Investituren zu verhalten hatten. Prompt erhielt
der Obervogt von der Kirchenbehörde eine ordentliche Abfuhr. Die Unsitte, daß während
der Wechselgesänge die Leute auf der pausierenden Seite sich gegenseitig unterhielten
, was schon im ersten Statut des Stifts getadelt wurde, scheint sich demnach
als unausrottbares Übel recht lange erhalten zu haben.

Es gab aber auch andere Erscheinungen die geeignet waren die hohe Würde des
Chorgesangs zu mindern. Der uns überlieferte Fall ist darin gewiß nicht ein nur einmaliger
Vorgang. Da lebte 1612 der hochbetagte und fast erblindete Dekan Konrad
Frick. Obgleich er durch seine körperlichen Gebrechen nicht mehr in der Lage war
seinem Amt im Chor vorzustehen, ließ er in seinem Eifer nicht nach. Das Kapitel
hatte ihn schon öfters von seinem Dienste befreit, doch der alte Herr glaubte beharrlich
, es ginge nicht ohne ihn. Fast täglich brachte er durch seinen Gesang den Chor
schier zur Verzweiflung und die von ihm hervorgebrachten Mißtöne waren zum allge-
meinen Ärgernis geworden. Alle Ermahnungen fruchteten nichts. Schließlich drohte
ihm am 7. April 1612 der Generalvikar mit der Amtsentlassung und gab die strikte
Weisung, sich künftig von allem Gesang in Chor und Kirche zu enthalten.26

Im Jahre 1514 ließ das Stift für 31 fl. Gesangbücher de tempore herstellen. Schrei-
ber war der Uberlinger Stadtschreiber Hans Kugler.26a

Nach den Hinweisen auf den Vollzug des Chorgesanges im Statut von 1437 erfahren
wir lange Zeit nichts mehr hierüber. Eine Bemängelung, wie sie Erasmus von Rotterdam
am 15. März 1530 in einem Brief an den Waldkircher Propst und Reichsvizekanzler
Balthasar Merklin ausspricht, bezieht sich gewiß nicht auf eine Gebräuch-
lichkeit beim Waldkircher Stift allein. Eher ist sie als eine allgemeine Übung zu
verstehen. Erasmus tadelt den alten Brauch der Kirche, der seiner Meinung nach
höchst unpassend erscheint, nämlich, daß während des Mysteriums der Consecration
der Chor zu Ehren der jungfräulichen Mutter eine Strophe singt mit einem anschließenden
langen Gebet. Ist es denn passend, fragt der Schreiber, wo der Sohn selbst
gegenwärtig ist, sich an die Mutter zu wenden?™

Neben dieser für die Musikpflege mehr oder weniger peripheren Notiz, erfahren
wir aus der Schulgeschichte Nachweise dafür, wie das Kloster und nach ihm das
Chorherrenstift sich um Nachwuchs für den Kirchengesang sorgte. Mit Magister Nicoiao
, Rektor der Schule in Waldkirch, begegnen wir in einer Urkunde vom 23. Mai
1300 dem ersten Lehrer am Ort. Er tritt zusammen mit einem Kaplan, als Zeuge auf

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