http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0243
daher jedem Sänger im Jahre auch nur 3 fl. zugestehen, so würde dadurch der Fonds
bald erschöpft, und man liefe Gefahr gar nicht mehr die nötigen Leute zu erhalten.
Das Ergebnis wäre ein weit schlechterer Gesang wie auf einem Dorf.70
Der Widerstand gegen behördliche Gleichmacherei war durch das entschiedene
Eintreten des Pfarrektors Siedler für ein und allemal gebrochen und es bahnten sich
in der Folgezeit jene ausgewogenen und der Kirchenmusik angemessenen Verhältnisse
an, wie sie bis in die jüngste Vergangenheit bestanden.
Die Volkswut, die sich diesesmal am deutschen Normalgesang entzündete war
nicht neu. In den Zeiten der sogenannten Aufklärung, als der Landesherr, Kaiser Joseph
IL, alles zu reglementieren suchte, war der gleiche Fall schon einmal eingetreten
und hatte auch damals zu leidenschaftlichen Ablehnungen einer uniformierten
Gottesdienstfeier geführt. Am Sonntag in der Fronleichnamsoktav 1784 wurden die
Pfarrangehörigen von der Kanzel darüber unterrichtet, daß aus allerhöchster landesfürstlichen
Verordnung und allergnädigster Willensmeinung in allen österreichischen
Vorlanden ein gleichförmiger Gottesdienst . .. eingeführt soll werden ...71 Dieser
Verfügung getreulich nachzukommen, beschloß das Kapitel am 29. Juli 1784 für das
Orgelschlagen zum Normalgesang für den Organisten eine Gehaltszulage.72 Keine
drei Jahre später, am Weißen Sonntag 1787, führte der Dekan und Stadtpfarrer bittere
Klage darüber, daß der deutsche Gesang in der sonn- und feiertäglichen Frühmesse
allmählich in Abgang geraten sei, weil viele nicht mehr mitsingen wollen. Der Pfarrer
sann auf Mittel, wie diesem Überstand zu begegnen sei. Seinen Bemühungen war
kein Erfolg beschieden.73 Kein Wunder, daß nach den allgemeinen großen Umwälzungen
am Beginn des 19. Jahrhunderts die Menschen gegenüber all den vielen Reglementierungen
durch die weltliche, wie durch die geistliche Obrigkeit, nur mit großem
Mißtrauen begegneten. Das nicht zuletzt deswegen, weil, damals wie heute,
behördliche Anordnungen vielfach den Anschein erwecken, als solle das Kind mit
dem Bad ausgeleert werden.
Eines schönen Tages wurde bekannt und aktenkundig, daß der Sigrist und Organist
auch andere als musikalische Eigenschaften besaß. Das Großherzogliche Bezirksamt
Waldkirch forderte am 14. Juni 1811 ein pfarramtliches Zeugnis an und wollte einiges
über den Charakter des Valentin Eglau erfahren. Um was es eigentlich ging, ist aus
den Akten nicht zu erkennen, doch spricht das Bezirksamt am 17. Juni vom einem
Kriminal verbrechen. Sehr schlimm muß es jedoch nicht gewesen sein. Immerhin
wurden in dem pfarramtlichen Gutachten Dinge offenbar, die schlecht zu einem Kirchendiener
passen und die zwangsläufig nicht allein für die Familie nachteilig, sondern
sich auch auf die Ausübung des Dienstes ungünstig auswirkten. Der Pfarrer bedauerte
sagen zu müssen, daß der sonst erträgliche moralische Charakter des
Valentin Eglau notorisch an dem Hauptgebrechen einer schon seit langer Zeit andauernden
Unmäßigkeit im vernünftigen Genuß des Weines leide, wodurch die öfteren
gleichfalls notorischen gefährlichen Mißhandlungen seiner bisherigen Eheweiber, die
Störung des häuslichen Friedens, das Ärgernis vor den Augen der Kinder und Nachbarschaft
, endlich die gänzliche Verarmung seiner so vielen Kinder und die Zerrüttung
seiner Gesundheit und Anhäufung der Schuldenlast unfehlbar ausbrechen muß
.. . so findet man sich aus obhabender Pflicht für die Ehre des Kirchendienstes und
des besonderen Glücks der Kinder genötigt, Großh. Bezirksamt zu bitten, dem Eglau
241
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0243