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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0319
Ficker liefert mit diesen Formulierungen eine genaue Definition der Baukunst
des Historismus, speziell des Späthistorismus, weil es gelang, zwei historische Stile
zu einer neuen künstlerischen Einheit zu verbinden. Der baukünstlerischen Aussage
entspricht exakt der geistige, der (historische) Rückgriff auf den Kirchenbau zur
Zeit der Renaissance, der für die reformierten Kirchen exemplarisch wurde. Die
seltene Symbiose antiker Stile mit der Renaissance läßt die Lutherkirche zum letzten
und ausgereiften Werk des Späthistorismus werden, eine Wertung, die bisher
von der Tatsache überlagert wurde, daß es auch im Jugendstil eine antikisierende
Spätphase gibt. Gibt man jedoch dem geistigen Hintergrund des Kirchenbaus den
Primat vor der reinen Stilfrage, so läßt sich die Zuordnung zum Späthistorismus
mit gutem Grund rechtfertigen.

Zu der gleichen stilistischen Einordnung kommt man, wenn man sich die übrigen
Bauten betrachtet, die in der Spätphase des Jugendstils und im Dritten Barock in
Freiburg entstanden sind. Bei ihnen überwiegt eindeutig der Formenkanon des
Barock und des Rokoko, andere stilbildende Elemente treten demgegenüber in den
Hintergrund; Formen des Klassizismus und der Renaissance werden höchst selten
und in anderem Zusammenhang angewandt. Beispiele hierzu finden sich in dem
Aufsatz des Verfassers über den Dritten Barock im „Schau-ins-Land" des Jahres
1982, dort auch die Villa Wertheimer (Jacobistraße 42, heute Finanzgericht) von
Hans Christen.

Abschließend sei ein weiteres Argument für den geistigen und architektonischen
Historismus der Lutherkirche genannt: die vorbildhafte Anlehnung des Kirchturmes
an den preußischen Barock, speziell an den Turm der Potsdamer Garnisonskirche
, der um ein Stockwerk verkürzt und ohne offene Laterne aber mit fast identischer
Haube in freier Gestaltung wiedergegeben wird.

Damit schließt sich der Kreis: Oberrhein, Niederrhein, Franken und Preußen
haben sich im Freiburger Stadtbild im Sinne eines nationalstaatlichen Historismus
vereint. Der Zweite Weltkrieg hat mit dem Verlust der (alten) Lutherkirche zwar
eine empfindliche Lücke gerissen, das geistige Konzept ist jedoch spürbar und
erlebbar geblieben.

LITERATURHINWEISE

Adam, Ernst: „Das Freiburger Münster", Stuttgart 1968.

Ficker, Johannes: „Die Lutherkirche in Freiburg im Breisgau", Freiburg 1919.

Meinecke, Friedrich: „Weltbürgertum und Nationalstaat" (1. Auflage 1907) 9. Auflage Darmstadt

1969.

Schulze, W. A.: „Der Freiburger Münsterturm im Export", in „Freiburger Almanach" 1982.
Vetter, Walter: „Freiburg ein Führer zu Kunst und Geschichte", Freiburg 1986.
Vetter, Walter: „Gibt es einen Dritten Barock in Freiburg", in „Schau ins-Land" 1982.

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