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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1986/0331
den (S. 46, 79, 155). Andererseits erscheinen wichtige Hinweise und Angaben nicht im Text,
sondern versteckt in den Anmerkungen (z. B. Anm. 97). Unbefriedigend sind die unzureichenden
Literaturangaben des Autors zum Komplex „Euthanasie im Dritten Reich"; zumindest
fehlen Hinweise zu den wichtigen Arbeiten von Ernst Klee.

Abgesehen von diesen allgemeinen Kritikpunkten wirft die Untersuchung die grundsätzliche
Frage nach dem Forschungsansatz auf. Denn wiederholt macht Schwalbach deutlich, daß es
ihm darum geht, mit seinem Beitrag zur Erhellung des Verhaltens Gröbers in der NS-Zeit ihm
die „verdiente gerechte Würdigung zuteil werden zu lassen" (S. 9, 191) Er bemüht sich besonders
, „aus der jeweiligen Situation und seinem Temperament das jeweilige Verhalten von Erz-
bischof Gröber zu erfahren" (S. 9). Nun ist das Verhalten Gröbers zur NS-Herrschaft durch
die Arbeiten von Hugo Ott, Erwin Keller, Joachim Maier sowie Clemens Bauer und auch
Klaus Scholder schon mehrfach beleuchtet worden, so daß man Zweifel hat, ob das von dem
Autor — obwohl teilweise erstmals — ausgewertete Quellenmaterial aus dem badischen Generallandesarchiv
(Karlsruhe) und Erzbischöflichen Archiv (Freiburg) für die beabsichtigte
„Würdigung" neue Aspekte bringt. Es ist problematisch, wenn der Verfasser bereits in seiner
Einleitung zum Forschungsstand bisherige kritische Aussagen zur Person Gröbers — quasi als
Verdikt — als „nicht haltbar" abtut (S. 12 f.), während er selbst, um eine positive Gesamtwürdigung
Gröbers vornehmen zu können, wiederholt frühen NS-freundlichen Positionen Gröbers
dessen spätere Ablehnung des NS-Staates kontrastierend und zugleich entschuldigend gegenüberstellt
. Handlungsweisen und Stellungnahmen aus der Zeit nach 1937 werden dadurch
mit der frühen Haltung von 1933—35 vermengt.

Aufgrund der bisher vorliegenden Studien, die das Bestreben des Freiburger Erzbischofs erkennen
lassen, mit dem NS-Regime in der Zeit von 1933 bis 1935/36 durch eine ausgesprochen
positive Haltung zu Hitlers Herrschaft zu einem modus vivendi und einer möglichen verantwortlichen
Mitarbeit zu kommen, wäre es konsequent gewesen, Mitverantwortung und
Verstrickung des Oberhirten in der Konsolidierungsphase des Dritten Dreiches näher zu untersuchen
, wie es schon für vergleichbare Angehörige anderer Elitegruppen in der Forschung
vorgenommen wurde. Die Verstrickung Gröbers klingt an, wenn Schwalbach konstatiert, daß
Klerus und Gläubige früher als der Erzbischof die Gefahr durchschauten, die aus der kirchenfeindlichen
Politik der Nazis resultierte. Dies bedarf eigentlich eingehender Erklärung. Die
Feststellung ist für Gröber sogar ausgesprochen peinlich, wenn man bedenkt, daß er aufgrund
seiner Kontakte mit der NS-Führung und seiner vielfaltigen Informationen doch eher als andere
Gläubige die Absichten der NS-Machthaber erkennen konnte.

So bleibt die Frage von Ernst-Wolfgang Böckenförde (von 1961) offen, wie es dazu kommen
konnte, „daß maßgebende geistliche Führer des deutschen Katholiszismus im Jahre 1933 in
Hitler und im nationalsozialistischen Staat Wegbereiter einer umfassenden Erneuerung sahen
und nachdrücklich zur positiven Mitarbeit und Unterstützung des NS-Regimes aufriefen"
(S. 35), wie es Gröber öffentlich als erster deutscher Bischof tat. Um eine Antwort geben zu
können, muß nach Ansicht des Autors die „Zeitkulisse" stärker berücksichtigt werden. Dies
fuhrt jedoch in der Studie dazu, daß apologetische Urteile verkündet werden, ohne entsprechende
Analysen und Erklärungen vorzulegen. So wäre es angebracht gewesen, den Hinweis,
daß Gröber aufgrund seines nationalistischen Standpunktes den italienischen Faschismus als
Vorbild und „stärkste geistige Bewegung" bezeichnete (S. 37), einer ausführlichen Betrachtung
zu unterziehen. Insofern ist es auch kein „vordergründiges Urteil", wie der Autor erklärt,
wenn man zu dem Ergebnis kommt, daß Gröber in der Anfangszeit für die NS-Ideologie „anfällig
" und „ein Bewunderer dieser Bewegung" war (S. 38).

Durch Schwalbachs Arbeit wird erkennbar, wie stark sich Gröber bei seiner positiven Haltung
gegenüber dem NS-Regime von der tief empfundenen Bedrohung durch den Bolschewismus
leiten ließ. Erst sehr viel später hat der Erzbischof dann aufgrund der antichristlichen

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