http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1987/0071
„Der Walzenmüller-Aufstand" 1492
Bürgeropposition und städtische Finanzen
im spätmittelalterlichen Freiburg im Breisgau
Von
Tom Scott
Zu den Konstanten städtischen Verfassungslebens im späten Mittelalter gehören
Bürgeropposition und Zunftkämpfe. Trotz wiederholter Beteuerung von Frieden,
Einigkeit und gemeinem Nutzen durch die Obrigkeit — dem Tripus horizontaler Integrationsmomente
und ideologischer Normen, worauf das Gemeinwesen vermeintlich
basierte1 —, legen die kontinuierlichen Auseinandersetzungen zwischen Rat und
Bürgerschaft bloß, daß die Gliederung der innerstädtischen politischen Machtverhältnisse
eine eindeutig hierarchische geblieben ist. Auch das Vordringen der Handwerker
, welche die mit dem breisgauischen Adel immer stärker verschmelzenden Patriziergeschlechter
von Kaufleuten und Rentiers allmählich verdrängten, führte nur
begrenzt zu einer wahren Umverteilung jener Machtverhältnisse. Die beträchtlichen
wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen einzelnen Gewerbezweigen ließen
die politische Gleichstellung aller Handwerkszünfte zu einer leeren Verfassungsformel
degenerieren. Zudem rekrutierten sich die Ratsmitglieder vorwiegend aus den
wohlhabenden Schichten der zünftigen Bevölkerung. Doch haben jüngere Forschungen
zur Stadtgeschichte das tradierte Erklärungsmuster von Bürgerkämpfen und
Handwerkerrevolten im 14. und 15. Jahrhundert auf weiten Strecken revidiert. An die
Stelle einer Polarität zwischen Ratsherrschaft (mit zunehmend oligarchischen Tendenzen
) und Gemeindevertretung (als Verkörperung kommunaler Werte) tritt jetzt ein
differenzierteres Bild, das die Spannungen innerhalb der Führungsschicht, das Ringen
um Partikularinteressen und den Kampf zwischen 'ins' und buts' um politische
Vertretung herausstreicht.2 Im 16. Jahrhundert hat sodann der Wandel in öffentlichen
Verwaltungspraktiken und verfassungsrechtlicher Theorie — mit den Begriffen Büro-
kratisierung und Obrigkeitsdenken stichwortartig umschrieben — ein geändertes politisches
Umfeld geschaffen, worin die Konturen der gemeindlichen Interessengegensätze
— wenigstens in den höher entwickelten Handelsstädten und größeren
Reichsstädten — nunmehr zwischen Behörden und Bürgerschaft anstatt zwischen
Patriziern und Zünften verliefen.3
69
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1987/0071