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VII d
Die letzte Untersuchungsgemeinde ist S t. P e t e r . Diese Klosterherrschaft war im
18. Jahrhundert größer als die heutige Gemeinde. Sie schloß damals auch die Gebiete
Wildgutach, Hinterstraß, Waldau, Glashütte, Hochstraß, zwei Drittel von Eschbach,
fünf Höfe aus Rechtenbach und andere kleine, auseinanderliegende Orte mit ein. Sie
lag im vorderösterreichischen Schwarzwald, ungefähr 18 Kilometer östlich von Freiburg
. Wie Hinterzarten, war die Herrschaft zu 100 % katholisch137 und auch leibeigen
. Die Quellen und Literatur über St. Peter sind relativ umfangreich, aber enthalten
nicht immer das, was für die Auswanderung wichtig ist. Die Mönche bewahrten Tagebücher
und Chroniken in Deutsch und Latein, von denen manche sogar gedruckt
wurden.138 Im Generallandesarchiv finden sich gelegentlich Tabellen und Nachrichten
, die ebenfalls nützlich sind. Die Literatur ist allerdings oft auf die Bau- und Klostergeschichte
gerichtet, aber es gibt auch Arbeiten über die soziale und wirtschaftliche
Lage St. Peters im 18. Jahrhundert.139
St. Peter hatte 105 Auswanderungsfalle (Stufe 4). Nur Freiburg (118 Fälle) und
Eichstetten (112 Fälle) hatten in Südbaden mehr. Die Auswanderung aus St. Peter war
also sehr beträchtlich, wie bei allen Stufe-4-Gemeinden. Wenn so viele Leute aus
einer Gemeinde auswanderten, dann muß dies unter außerordentlichen Umständen
vor sich gegangen sein. St. Peter war die einzige Berggemeinde in ganz Baden mit
einer Stufe-4-Auswanderung. Mit Ausnahme von Kandern und Schopf heim war
St. Peter die einzige Berggemeinde in Südbaden mit einer höheren Auswanderung als
Stufe 2. St. Peters Auswanderungsziffer war an sich mäßig (4,6), aber trotzdem sehr
hoch für den Schwarzwald. Die Struktur seiner Auswanderung war völlig anders als
die der anderen Untersuchungsgemeinden.140
Mindestens 290 Personen wanderten aus St. Peter aus. Die größten Wellen waren
die nach Ungarn 1770/71 (31 Fälle und mindestens 84 Personen) und die in die Steiermark
, Österreich 1712/13 (16 Fälle, 92 Personen). Die nächstgrößte war die von
1735/36 nach Salzburg (8 Fälle, 25 Personen). In den Jahren 1751 und 1760 wanderten
je sechs Fälle aus, 1750 und 1762 je drei Fälle und sonst nie mehr als zwei Fälle in
einem Jahr. Ein wichtiger Unterschied zu den anderen Gemeinden und überhaupt zu
Baden war die Tatsache, daß so viele vor 1740 auswanderten (28 Fälle). Darüber hinaus
wanderten nach 1771 weniger Leute aus als bis 1718. Beide Zeiträume umfaßten
31 Jahre. Im früheren 18. Jahrhundert fanden 17 Auswanderungen statt, im späten nur
14. Diese Ergebnisse sind weder für ganz Baden noch für Südbaden normal.
Durch einen Blick auf die Zielländer läßt sich dies teilweise erklären. Außer dem
ersten Fall (eigentlich ein Jahr vor dem Beginn des Untersuchungsraums) wanderten
bis kurz vor 1724 alle in den Jahren 1712/13 aus, und zwar in die Steiermark. Diese
Auswanderungen wurden intensiv vom Grafen von Kotulink für seine Herrschaft in
Neudau (Steiermark) angeworben. Im Jahr 1712 wanderten aus St. Peter Martin Scherer
, seine Frau und ihre drei Kinder dorthin. Er wurde als Werbeagent beauftragt und
kehrte im folgenden Jahr zurück. Am 24. April führte er mehrere Familien aus
St. Peter nach Neudau, wo sie am 22. Mai ankamen. Dann kehrte er wieder zurück,
holte noch mehr Familien ab und brachte sie am 28. August nach Neudau. Damit
hörte die Steiermark-Auswanderung auf. Insgesamt wanderten dorthin 16 Familien
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