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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
106.1987
Seite: 146
(PDF, 45 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1987/0148
ein Zentrum, in dem Habsburger Agenten arbeiteten, auch für Südbaden. Zwischen
1790 und etwa 1800 gab es einen Grafen Colloredo, der mehrere Agenten in oder um
Freiburg hatte. Er befahl ihnen, niemanden mit weniger als 250 fl zu akzeptieren.187
Die Angebote änderten sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Aber das folgende in einem
Patent von der ungarischen Behörde ist typisch für die frühtheresianische Zeit. Es
versprach potentiellen neuen Siedlern ausreichende Landzuweisung an einem geeigneten
Ort, sechsjährige Befreiung von öffentlich-rechtlichen Leistungen und dreijährige
von grundherrlichen Leistungen, einen Kirchenbau auf ärarische Kosten, Freizügigkeit
(aber mit einer 10 %igen Abfahrtstaxe), kostenlose Bereitstellung von Bauholz
für Häuser und Vörstreckung von Saat- und anderem Korn gegen Rückerstattung nach
der ersten oder zweiten Ernte. Die Kameralansiedlungen waren praktisch gleich. Generell
forderte man von ihren Ansiedlern einen Besitz von mindestens 500 fl. Allerdings
wurden oft Ausnahmen gemacht.188 Der Staat bezahlte das Reisegeld nach Ungarn
erst in den 1760er Jahren, jedoch nur von Wien oder Preßburg aus. Viele
Auswanderer bezahlten mit ihrem ganzen Vermögen für die Reise. Unterwegs wurden
sie häufig von Schiffern, Fuhrleuten und Wirten ausgenutzt. Jede Auswanderungswelle
brachte höhere Preise, und viele waren schon bei der Ankunft in Ungarn verschuldet
.189 Die Angebote in Siebenbürgen waren ähnlich. Dort bekamen die Ansiedler
, z. B. in Mühlbach, im Jahr 1748 eine Hofstelle, einen Weinberg, eine Gestellung
von Saatgetreide, so viele Wiesen wie die anderen Bürger und einen Anteil an
der Nutzung des Waldes. Die Stadt versprach Beihilfe beim Bauen und gewährte
ihnen fünfjährige Befreiung von Abgaben und Lasten, bestimmte Gemeinschaftssachen
und bürgerliche Aufnahme in der Gemeinde.190

Werbung irgendwelcher Art war praktisch eine Voraussetzung für eine Auswanderung
. Die Leute mußten eine bestimmte Vorstellung von einem Land haben, bevor
sie eine so lange, teuere und gefährliche Reise unternahmen. Die Werbung war teilweise
der letzte Anstoß zur Auswanderung. Durch ihre Intensität übte sie jedoch
manchmal eine überverhältnismäßige Wirkung, verglichen mit den wirtschaftlichen
Faktoren, aus. 1749/50 und 1770/71 waren schwere Jahre in Baden, aber die späteren
waren schlimmer, in Südbaden ebenso wie in ganz Baden. Die Auswanderung aus
ganz Baden war 1770/71 viel höher als 1749/50 (siehe Abbildung 3), in Südbaden war
es doch umgekehrt (siehe Abbildung 12). Die wirtschaftliche Not war in beiden Fällen
vorhanden, aber in Südbaden war die Intensität der Werbung für Siebenbürgen
1749/50 viel höher als die für Ungarn 1770/71. Die Werbung war ein immer anwesender
, aber nicht quantifizierbarer Faktor. Ungarn war das einzige Zielland, das über
längere Zeit große Zahlen von Auswanderern anzog. Es wurde allgemein bekannt,
daß die Auswanderung nach Ungarn eine Alternative in sehr schlechten Zeiten darstellte
. Daraus entstand praktisch eine langfristigere, passive Werbung, ohne Briefe,
Flugschriften und Agenten. Die Werbung war eine wesentliche Ursache der Auswanderung
, aber ihre wichtigste Bedeutung betraf das Phänomen der Migration von großen
Massen von Menschen und die Verhältnisse in den Zielländern. Die Werbung
allein erklärte nur wenig die Auswanderungsfaktoren in den Herkunftsgebieten. Wenn
man die Auswanderung als einen Indikator für die Zustände in dem Herkunftsland
versteht, dann war die Werbung eine wichtige, aber nicht die allerwichtigste Ursache
der Auswanderung.

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