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Chören. Denn für diese Aufgabe wurden zumeist im Westteil der Kirchen weiblicher
Konvente eigene Räume in Form von Emporen eingerichtet, die gegen das Kirchenschiff
durch Schranken oder Mauern abgeschlossen waren.18 Infolgedessen wurden
solche im allgemeinen über kryptenartigen Untergeschossen erbaute Emporen charakteristisch
für die Zisterzienserinnenkirchen. Da diese also erhöht lagen, mußten
sie entweder von der Klausur aus zugänglich gemacht werden, oder es mußten eigene
Treppen bzw. Treppentürme angefügt werden, damit die Nonnen möglichst ungesehen
ihre Sitze einnehmen konnten. Natürlich konnten diese Treppentürme auch als
Zugang zum Dachgeschoß erforderlich werden, weshalb sie ausnahmsweise auch bei
Mönchskirchen vorkommen konnten (Abb. 3, 4).19 Im allgemeinen war letzteres
aber nicht der Fall, da — wie wir sahen — die Mönche sich im Kirchenchor oder
im Kirchenschiff zum Gottesdienst oder Stundengebet versammelten. Im übrigen
wurde mit der Erbauung von westlichen Emporen zugleich die strenge Einhaltung der
Klausur für die Nonnen erreicht. Denn von den erhöhten Westemporen konnten diese
ungesehen von den übrigen Kirchenbesuchern an den Messen und insbesondere an
der Wandlung teilnehmen. Zu diesem Zweck waren in die Mauer, welche im allgemeinen
die Empore zum Kirchenschiff hin abschloß, kleine vergitterte Öffnungen
eingefügt. Diese wurden nur zur Teilnahme an den heiligen Handlungen geöffnet und
danach alsbald wieder verschlossen.20
Schon wegen des geringeren Umfangs der Konvente wurden die Zisterzienserinnenkirchen
kleiner und schlichter ausgestaltet als die Mönchskirchen. Eine einzige
Form für solche Kirchen gab es allerdings wiederum nicht. Vielmehr boten sich auch
in diesen Fällen sehr verschiedene Formen der Ausgestaltung an. Im allgemeinen bevorzugte
man einfache Saalkirchen, deren Westteil dann die Nonnenempore enthielt
.21 Es kam aber auch häufiger vor, daß sich an den westlichen Emporenteil
nach Osten hin ein basilikal gestalteter Kirchenbau anschloß.22 Als ein Beispiel der
letzteren Art sei die Kirche des Zisterzienserinnenklosters Wöltingerode nordöstlich
von Goslar am Harz genannt, die — wie alsbald zu zeigen sein wird — eine große
bauliche Ähnlichkeit mit der Kirche des hier zu behandelnden Bildes aufweist
(Abb. 5).23 Auch hier schließt sich nämlich an den westlichen Emporenbau ein basi-
likaler Teil an. Dieses Hauskloster der mächtigen Grafen von Wöhldenberg hat einer
größeren Zahl von Mönchs- und vor allem Nonnenklöstern als bauliches Vorbild gedient
, die freilich zumeist in Nord- oder Mitteldeutschland liegen. Es ist also nicht
gesagt, daß dies auch im südwestdeutschen Raum der Fall sein müßte. Immerhin wird
aber durch dieses Beispiel belegt, daß im ausgehenden 12. Jahrhundert für Zisterzienserinnenklöster
Kirchenbauten in der Art errichtet wurden, wie sie auf dem hier
zu behandelnden Gemälde ebenfalls aufzutreten scheint.
Diesem Bild können wir uns nunmehr zuwenden. Der Eindruck ist überraschend.
Denn das, was man auf den ersten Blick erkennen zu können glaubt, entspricht
eigentlich nicht den Vorstellungen, die man sich von einer Klosterkirche des
12./13. Jahrhunderts im allgemeinen machte. Doch zeigt die Art der Darstellung deutlich
, daß es sich nicht um ein Phantasiegebilde handeln dürfte. Denn die Abbildung
entspricht auch keinesfalls den Vorstellungen, die man sich um 1800 von einer romanisch
-gotischen Kirche glaubte machen zu können. Vielmehr gewinnt der Betrachter
bald den Eindruck, daß der Maler ein sehr individuell gestaltetes Bauwerk wieder-
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