Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
106.1987
Seite: 325
(PDF, 45 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1987/0327
Behutsam stellt Bosch die frühe Bereitschaft zur Anpassung und Mitarbeit in der katholischen
und evangelischen Kirche sowie deren in der Tradition beider Kofessionen begründete
Motive vor. In den christlichen Kirchen wurde der autoritär verfaßte Staat anfangs begrüßt.
So bestimmten Antiliberalismus und Antikommunismus in den Jahren 1935/36 — Erzbischof
Gröber von Freiburg ist als Oberhirte der oberrheinischen Kirchenprovinz ein Beispiel für
diese Einstellung — die positive Haltung zum „neuen Staat". Der Autor stellt fest, „nicht das
Unrechtsystem des Nationalsozialismus als solches" habe den wachsenden Widerstand herausgefordert
, sondern erst das „eigene Schicksal" in der NS-Diktatur (S. 134). Bei diesem Fazit
ist aber zu berücksichtigen, daß einzelne Persönlichkeiten und Angehörige beider Kirchen
schon sehr früh das unrechtmäßige Vorgehen gegen Juden und Regimegegner verurteilten und
sich für die Verfolgten einsetzten. Oft blieben aber diese Bemühungen wegen fehlender Unterstützung
entscheidender Amtsträger erfolglos. Der zögernd einsetzende, spätere Widerstand
und konsequente Kampf beider Konfessionen bis zum Ende des Krieges wird durch umsichtig
ausgewählte und abgedruckte Dokumente belegt.

Als „originärer Ausdruck der organisierten Gewalt des Nationalsozialismus" (S. 169) bezeichnet
Bosch die Einrichtung und Unterhaltung der Konzentrationslager im Abschnitt über
„Gefängnisse und Konzentrationslager". Aussagekräftige Quellen bezeugen die Unmenschlichkeit
des NS-Regimes bei der rücksichtslosen Vernichtung politischer Gegner sowie deren
Angehörigen. Diese belegen sehr anschaulich die ausgewählten Dokumente über die badischen
Lager Kislau und Ankenbuck sowie zu den „belieferten" Lagern in Dachau und Natz-
weiler-Struthof.

In den weiteren Abschnitten „Hoffnung Exil", „Vernichtung lebensunwerten Lebens",
„Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter" und „Die Verfolgung der Juden" werden durch zahlreiche
Quellenauszüge sowohl das ganze Ausmaß der unmenschlichen Verfolgungspraxis des
NS-Staates als auch die Leiden der Betroffenen deutlich. Lange Zeit konnten sich die rassisch
oder politisch Verfolgten die systematische Ausrottungsabsicht ganzer Bevölkerungsgruppen
durch die eigene Regierung nur schwer oder gar nicht vorstellen. Die Dokumente zeigen auch
die Schwierigkeiten, die sich den Asylsuchenden entgegenstellten, wenn sie beispielsweise
endlich die Grenze erreicht hatten und dann mit der abwehrenden offiziellen Politik der
Schweiz konfrontiert wurden. Bezeichnenderweise haben Schweizer Stellen die Einführung
des berüchtigten und diskriminierenden „J" (Juden)-Stempels in den Reisepässen von Berlin
verlangt und erreicht. Die Zeugnisse bekunden ferner Mitarbeit, Parteigängertum und Mitläu-
fertum in der badischen Ministerialbürokratie, als es um die grauenhafte Durchführung der
„Euthanasie" Aktion in Grafeneck ging, wo 10000 Anstaltsangehörige ermordet wurden. Das
„Unrecht von unten", dem allmählich jede Menschlichkeit verlorenging, zeigte sich auch bei
der schrittweisen Diffamierung, Verfolgung und Deportation der 5617 badischen Juden bis hin
zur Vernichtung in den Lagern von Gurs und Auschwitz.

Die abgedruckten Dokumente sind erschütternde und bewegende Beweisstücke des Kampfes
gegen die unmenschliche Politik der Nazis. Für den Leser ist es sehr nützlich, daß sie durch
Ergänzungen und Erläuterungen des Autors miteinander verbunden wurden, so daß Zusammenhänge
und Entwicklungslinien erkennbar sind. Unbefriedigend ist die von Bosch selbst
beklagte unterschiedliche Handhabung und Rücksichtnahme bei der Namensnennung Betroffener
, die durch Vorgaben der Archive und Persönlichkeitsschutzrechte bedingt sind. Für die
mit dem Band verbundene beachtliche Leistung erhielt Bosch den „Alemannischen Literaturpreis
1985". Dem Buch, das in gelungener Weise exemplarisch für Südbaden die „Alltagsprobleme
unterm Hackenkreuz" darstellt und verständlich macht, ist eine weite Verbreitung —
gerade im Schulunterricht — zu wünschen. Gerd R. Ueberschär

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